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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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seitdem sie Mouquet gesehen. Die beiden Kerle gehen sicherlich zum »Vulkan«, sagte sie.
    Auf dem Tanzboden »Zur Gemütlichkeit« beschloß man den Festtag. Diesen Tanzboden hielt die Witwe Désir, eine dicke Mutter von fünfzig Jahren, rund wie ein Faß, aber so frisch und wohl erhalten, daß sie noch sechs Liebhaber hatte, einen für jeden Tag der Woche, sagte sie, und alle sechs für den Sonntag. Sie nannte alle Grubenarbeiter ihre Kinder, von Rührung übermannt bei dem Gedanken an das Meer von Bier, das sie seit dreißig Jahren ihnen ausschenkte. Sie rühmte sich auch, daß keine einzige Schlepperin schwanger werde, ohne vorher bei ihr das Tanzen gelernt zu haben. Die Wirtschaft »Zur Gemütlichkeit« bestand aus zwei Sälen: aus der Trinkstube, wo das Schankpult und die Tische standen, und aus dem Tanzsaal, in den man aus der Trinkstube durch eine weite Bogenöffnung gelangte. Der Tanzsaal war ein großer Raum, nur in der Mitte gedielt und ringsherum mit Ziegeln ausgelegt. Den Zierat gaben zwei Gewinde von papiernen Blumen ab, die an der Saaldecke von einem Ende zum andern sich zogen und in der Mitte sich kreuzend, durch einen Kranz ebensolcher Blumen zusammengehalten wurden. An den Wänden hingen vergoldete Wappenschilder, welche die Namen von Heiligen trugen: den heiligen Eloi, Schutzpatron der Eisenarbeiter; den heiligen Krispin, Schutzpatron der Schuster; die heilige Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, kurz, den ganzen Kalender der Gewerbe. Die Saaldecke war so niedrig, daß die drei Musiker auf ihrer Tribüne, die nicht größer als eine Predigerkanzel war, mit dem Kopf anstießen. Die Beleuchtung besorgten vier Petroleumlampen, die am Abend in den vier Winkeln des Saales aufgehängt wurden.
    An diesem Sonntag begann der Tanz schon um fünf Uhr nachmittags bei hellem Tageslichte. Aber erst gegen sieben Uhr füllten sich die Säle. Draußen hatte sich ein heftiger Wind erhoben; es wirbelte schwarze Staubwolken auf, die alle Leute blendeten und sich knisternd in die offenen Bratöfen legten. Maheu, Etienne und Pierron waren ebenfalls gekommen, um Chaval aufzusuchen, der mit Katharina tanzte, während Philomene allein geblieben war und ihnen zusah. Weder Levaque noch Zacharias war sichtbar geworden. Da es im Saale an Sitzbänken fehlte, ließ sich Katharina nach jedem Tanze am Tische ihres Vaters nieder. Man rief auch Philomene, allein sie wollte lieber stehen. Der Tag ging zur Rüste; man sah im Saale nur mehr Hüften und Brüste in einem Wirrsal von Armen sich bewegen. Mit hellem Jubel wurden die vier Lampen empfangen; plötzlich ward alles erhellt, die roten Gesichter, die an der Haut klebenden wirren Haare, die fliegenden Röcke, die den scharfen Geruch der schwitzenden Paare verbreiteten. Maheu zeigte Etienne die Mouquette, die dick und fett wie eine Schweineseite am Arme eines langen, mageren Handlangers walzte; sie hatte doch endlich einen Mann gefunden und sich mit ihm getröstet.
    Endlich um acht Uhr erschien Frau Maheu mit Estelle an der Brust und gefolgt von den Kleinen, von Alzire, Heinrich und Leonore. Sie suchte ihren Mann geradeswegs hier auf, weil sie sicher war, ihn hier zu treffen. Man beschloß, später zur Nacht zu essen, niemand hatte Hunger; alle hatten den Magen mit Kaffee überschwemmt und mit Bier überladen. Es kamen noch andere Frauen, und es gab ein Geflüster, als man hinter der Maheu die Levaque eintreten sah, gefolgt von Bouteloup, der Philomenes Kinder, Achilles und Desirée, an der Hand führte. Die beiden Nachbarinnen schienen ihren Frieden gemacht zu haben; die eine drehte sich herum, um mit der anderen zu reden. Unterwegs hatte es eine große Auseinandersetzung zwischen ihnen gegeben; die Maheu hatte sich endlich darein ergeben, daß Zacharias heirate; allerdings war sie trostlos, den Erwerb ihres Ältesten einzubüßen; doch mußte sie einsehen, daß es ungerecht sei, ihn noch länger zurückzuhalten. Sie suchte denn, eine gute Miene zu machen, obgleich ihr Herz von Sorge erfüllt war, weil sie, die Hauswirtin, sich fragen mußte, wie sie fernerhin das Auslangen finden sollten, da doch, ein Hauptteil ihres Einkommens wegfallen werde.
    »Setze dich dorthin, Nachbarin«, sagte sie und zeigte auf einen Tisch neben dem, an welchem Maheu mit Etienne und Pierron trank.
    »Ist mein Mann nicht bei euch?« fragte die Levaque.
    Die Kameraden sagten ihr, daß er wiederkommen werde. Man rückte enger zusammen, Bouteloup mit den Kindern nahm ebenfalls Platz, und man saß so

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