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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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genau dieselbe Hauptspeise gegessen.« Da war ich erleichtert und mir fiel nix Besseres ein, als zu sagen: »Sehen Sie und es ist immer noch warm.«
    Diesmal hatte ich die Lacher auf meiner Seite. Ein glücklicher Tag.

Paradiesvögel und andere Kauzigkeiten
    Wir haben aus dem Leben, das wir leben,
    Ein Spiel gemacht, und unsere Wahrheit gleitet
    Mit unserer Komödie durcheinander
    Wie eines Taschenspielers hohle Becher –
    Je mehr ihr hinseht, desto mehr betrogen!
    Hugo von Hofmannsthal
Die Beschaffenheit des Spargels – Eine Annäherung
    Was wäre ein Hotel wie das Vier Jahreszeiten ohne seine Paradiesvögel? Wobei es da natürlich eine ganze Palette unterschiedlicher Erscheinungsformen gibt. So ein Paradiesvogel kann etwa ein Gnom sein, eine Rapunzel, ein Parvenü, ein Tausendsassa oder, wie in diesem Fall, eine »Dame von Welt«. In meiner Zeit im Vier Jahreszeiten habe ich ganze Scharen und zahllose Unterarten dieser Spezies erlebt. Die einen haben mich erfreut, die anderen geärgert, wieder andere sogar in Bedrängnis gebracht, aber die meisten haben mich amüsiert. Eine von der höchst amüsanten und anmutigen Sorte ist Daniela Bruns. Eine Hotelerbin.
    Sobald sie die Hotelhalle betritt, sind ihr alle Augenpaare sicher. Ihr Wimpernschlag, ihr Blick, ihre Aura, alles ein wenig unwirklich, aber es fesselt. Egal ob Mann, ob Frau, ob Twen oder Greis, alle unterbrechen sie ihre Gespräche und laben ihr Auge. Selbstverständlich fordert sie den besten Tisch ein. Die zweite Garnitur akzeptiert sie keinesfalls. Wer so schön ist, will dafür auch etwas haben. So etwas wie ein ausgebuchtes Restaurant gibt es für sie nicht. Wieder einmal ist nun der Erfindungsreichtum des Oberkellners geboten. Ihr Outfit ist immer von einer Originalität, die ihresgleichen sucht. Ein kunstvolles Ensemble aus Haute-Couture-Einzelstücken. Schuhe, Handtasche, Halstuch, Kleidersäume und Haarspange stets aus edelstem Material gewirkt, geschneidert, geschustert. Ihr volles schwarzes Haar wird durch die rosa-lindgrüne Spange ganz besonders zur Geltung gebracht. In ihrem kunstvoll gestylten Gesicht sind die Augenlider die Krönung. Jeder Strich, jede Farbnuance ein Meisterwerk. Als würden hier innere Werte sichtbar nach außen gewendet und dadurch der Sinn des Lebens in seiner ganzen Größe anschaulich gemacht. Ein Bild der Vollkommenheit.
    Wie oft wurde ich von Gästen hinter vorgehaltener Hand gefragt: »Wer ist diese Dame?« Aber da herrschte selbstredend Schweigepflicht – fast wie beim katholischen Beichtvater. Man ließ nicht locker: »Ich glaube, ich kenne sie aus einem Fernsehfilm, sie ist ganz sicher eine Schauspielerin, nicht wahr?« Es nutzte alles nichts, ich wollte und durfte das Geheimnis nicht lüften.
    Ihre Besuche im Jahreszeiten-Grill sind mir unvergesslich geblieben. Sie führten mich auf eine durchaus schöne, wohlig angenehme Weise an den Horizont meiner kellnerischen Möglichkeiten, ließen mich in einem mir bis dato unbekannten Umfang die Grenzen der dienstbaren Belastbarkeit erfahren. Sozusagen Extremkellnern. Irgendwie war jede Begegnung dieser Art eine einzigartige Vorstellung. Manchmal komisch, manchmal lustig, manchmal ein kleines Dramolett, aber immer in irgendeiner Form erfreulich. Unterm Strich bleibt das Fazit: »Man lernt eben nie aus.«
    In besonderer Erinnerung ist mir die Spargelsaison geblieben. Wann immer Daniela Bruns während dieser Zeit in Hamburg ist, will sie den »König der Gemüse« genießen. In ihrer neuen Heimatstadt Toronto sucht man diese Delikatesse vergebens. Carpe asparagum! Der Schwetzinger Stangenspargel gilt hinlänglich als der beste seiner Art. Genau das, was Daniela Bruns erwartet. Worauf sie gewartet hat. Wie es ihrem Naturell entspricht, will sie sicher sein, auch allererste Premiumqualität serviert zu bekommen.
    Die Speisenbestellung kann, je nach Tagesverfassung, zum abendfüllenden Programm werden. Oftmals ist eine ausführlich dozierende Unterrichtung unumgänglich. Teils angeborene, teils anerzogene Sparsamkeit kommt erschwerend hinzu. Noch ehe ich mit meiner fundierten Beratung beginnen kann, die erste Frage: »Sind die Spargel dick?« Meine Antwort: »Ja, gnädige Frau.« Sie: »Wie dick?« Ich: »Sehr dick, gnädige Frau.« Daran reihen sich bald Fragen in allen Facetten, wie die Orgelpfeifen. »Wie viele Zentimeter sind sie dick? Wie lang? Wie zart? Haben sie grüne, blaue oder weiße Köpfe? Wie sind sie gekocht? Weich, al dente oder hart?« Es nimmt kein Ende,

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