Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
Nebensächlichkeit. Wehe, er stand nicht auf dem Tisch!
Kurz nach der Gründung wurden von einem der besten Maßschneider der Stadt extra für den Club aus feinster Seide besondere musterlose Krawatten in exklusiven Farben gefertigt. (Ich wusste bis dato nicht, dass es auch Krawatten nach Maß gibt.) Auf der Rückseite der Krawatte war das Logo des Clubs eingewebt: ein Elefant. Dieser Elefant, wie auch der einzahnige aus Bronze, stand, vermute ich mal, für gutes Gedächtnis und gute Eigenschaften überhaupt. Mich hat man als dienendes Ehrenmitglied zum »Kanzler Kohl des Freihafenkreises« ernannt. Nie habe ich erfahren, ob es als Auszeichnung gedacht war oder ob eine andere, mir nicht bekannte Bedeutung dahintersteckte. In jedem Fall hat mich die Wertschätzung, die ich von den Teilnehmern dieser Runde erfahren habe, sehr berührt und gefreut. Diese Sitzungsabende, zuweilen bis spät nachts, zählten zu den angenehmsten Diensten meines Berufslebens. Der klare Blick und der offene Sinn der Mitglieder jener exklusiven Gesellschaft waren wohltuend für Herz und Gemüt.
Zum Weihnachtsfest gab es sehr persönliche, durchdacht und mit Liebe gewählte Geschenke. Besonders freute ich mich über eine Bibel mit Holzeinband. Als einer der Herren erfuhr, dass ich außer Klassik auch Jazz höre, schenkte man mir eine Kassette mit Aufnahmen des Modern Jazz Quartet. Man hat sich um mich bemüht! Solche edlen Gesten sind nun zu Raritäten geworden. Die mitmenschliche Pflege des Personals hat inzwischen Seltenheitscharakter.
Ihre beruflichen Verpflichtungen verstreuten die Mitglieder des Freihafenkreises über viele verschiedene Städte, was sich für den Zusammenhalt des Clubs als nachteilig erwies; immer öfter kamen nur wenige zu den Sitzungen. Schließlich wurde der Kreis aufgelöst. Schade!
Einen kurzen, aber sehr berührenden Augenblick habe ich in ganz besonderer Erinnerung. Eine Petitesse.
Eines Abends servierte ich, wie manchmal in dieser Runde, aus Dank, Freude und herzlicher Verbundenheit eine Flasche Rotwein, wie ich zu sagen pflegte, »gebührenfrei«. Das kommt immer gut an. Im Kreis der solcherart Ausgehaltenen befand sich auch der damalige Chefredakteur der Welt , Dr. Mathias Döpfner. Ein großer, schlanker, bubenhaft wirkender Mann mit freundlichem, offenem Lächeln, Akkuratesse signalisierend, noch keine vierzig, doch schon Mitglied der ersten Stunde. Meine Dienste kommentierte er mit den Worten: »Herr Nährig, sollte es mir irgendwann im Leben schlecht ergehen und ich womöglich mittellos sein, glaube ich nicht zu irren, von Ihnen immer ein Glas Rotwein ›gebührenfrei‹ zu bekommen.« Worauf ich antwortete: »Ganz bestimmt und ein Stück gutes Brot dazu.«
Noch scheint es freilich nicht so weit zu sein, noch sieht es sehr günstig aus, aber mein Wort bleibt bestehen. Dieser Satz war nicht einfach dahingesagt.
Karl Lagerfeld und die zwölf Models
Die Agentur von Karl Lagerfeld rief im Grill an, ob es denn Platz für ein kleines Mittagessen mit etwa zwanzig Personen gebe – Models, Fotoassistenten und sonstige Begleiter. Natürlich hatten wir Platz. Wer freut sich nicht über einen prominenten Gast wie Karl Lagerfeld? Ich habe ihn mehrmals betreuen dürfen und erinnere nur Angenehmes. Ich konnte nicht bemerken, dass der Mann extrovertiert oder exzentrisch, ja gar kapriziös ist, wie oft in den Medien kolportiert. Mit Sicherheit jedoch war er ein besonderer Gast. Er macht ja beruflich etwas Außergewöhnliches, da hat man auch das eine oder andere Anrecht, speziell zu sein.
Der Meister selbst kommt im Voraus. Ein wirklicher Gentleman. Beim Betreten des Restaurants reichte er mir immer die Hand und fragte: »Wie geht es Ihnen?« Das machen nicht alle Gäste. Das ist wahre Größe und eine Geste, die ich sehr schätze. Wenn er mit mir redete, sah er mich dabei auch an. Benimm in Reinkultur. Ob er mir dabei auch in die Augen blickte, weiß ich allerdings nicht, das konnte ich durch seine dunkle Brille nicht erkennen.
Ich erinnere mich an eine kleine Geschichte, die mir eine bekannte Modejournalistin erzählte, die oft für ihn gearbeitet hat. Kurz vor Weihnachten habe sie eine Grußkarte von ihm bekommen. Mitsamt einem von Lagerfeld selbst geschossenen Foto, das den Blick aus dem Fenster seiner Pariser Wohnung hinab auf die Seine zeigte. Stolz präsentierte sie die schöne Aussicht ihrem Mann und meinte dazu: »Siehst du, diesen Blick hat Karl, wenn er aus dem Fenster sieht. Und was bekommen wir zu
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