Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
mir ein großes Kuvert ein, das einen Gruß und Dankesworte enthält – sowie eine Zeichnung, auf der ein großer kräftiger Mann in Uniform ein kleines Huhn mit einem riesigen Messer attackiert. Darunter der Titel: »Held mit Huhn«.
Solche Ehrungen sind ehrlich und kommen von ganzem Herzen. Das spürt man. Wie traurig, dass er schon verstorben ist. Ich vermisse ihn sehr.
Gustav Peichl – Eine Auszeichnung von Ironimus
Nie im Leben würde man vermuten, dass dieser kleine, rundschädelige Mann mit der kreisrunden Brille auf der Nase einer der größten und besten Architekten Österreichs ist. Das Interessanteste an diesem Genie: Er baut ausschließlich schöne Gebäude. Für einen dennoch erfolgreichen Architekten wie Professor Gustav Peichl ist das ungewöhnlich. Wenn ich an die ORF-Rundfunkstudios denke, die er in die Natur hineingebaut und quasi mit ihr verwoben hat, als wären sie mit den Jahren auf natürlichem Wege gewachsen, packt mich die Ehrfurcht. Auch der von ihm entworfene, 1999 fertiggestellte Millennium Tower, das höchste Gebäude in Wien, ist einfach schön anzusehen. Nichts stört, nichts irritiert, nichts möchte man anders haben. Der erste Gedanke beim Betrachten: »Genau so soll er sein und nicht anders.«
Die ästhetischen Sinne – bei vielen Architekten offenbar verkümmert oder gar ins Gegenteil verkehrt –, sind bei Gustav Peichl hellwach und er weiß ihnen auf das Angenehmste Rechnung zu tragen. Man möchte die Gebäude gerne anfassen und befühlen. Rund, ohne scharfe Ecken und widerborstige Kanten. Alles passt, alles hat sich zu einer wohligen Einheit zusammengefügt. Nur drin wohnen möchte ich nicht – zu hoch sind die meisten dieser Bauten für mich, bin nicht schwindelfrei.
Neben seiner Tätigkeit als Architekt ist Gustav Peichl auch einer der großen Karikaturisten deutscher Zunge. Seit fünfzig Jahren zeichnet er unter dem Pseudonym »Ironimus« mit spitzer Feder politische Karikaturen für die Wiener Presse , die Süddeutsche und die Zeit .
Bei seinen Hamburg-Besuchen wohnte er immer im Hotel Vier Jahreszeiten und zum Nachtmahl kam er in den Grill. Wenn er den Raum betrat, war er, trotz seiner sichtlichen Bescheidenheit, sofort sehr präsent, füllte den Raum. Er vermittelte beim ersten Anblick das gute Gefühl: Da kann nix passieren, das wird eine schöner, angenehmer Abend. Sein Sohn Marcus, der damals in Hamburg wohnte, begleitete ihn oft.
An einem dieser Abende widmete er mir eine Zeichnung: ein kleines Vogerl, das auf dem Rand eines typisches Heurigenglases sitzt und Wienerlieder trällert. Sein Köpfchen ist dabei zugleich zu einem wehmütigen Seitenblick geneigt. Daneben Wasser, viel Wasser, und ein schaukelndes Schiff, ein sogenanntes »Papierschinackl«. Aus dem Weinglas taucht eine Hand auf, die mir die besten Wünsche und Grüße aufschreibt: »Speziell für Rudolf Nährig, Hamburg 1999, Ironimus.« Eine große Auszeichnung, auf die ich sehr stolz bin.
Mathias Döpfner – Immer ein Glas Rotwein in der Not
Vor einigen Jahren wurde im Jahreszeiten-Grill einer der uneigennützigsten und zugleich interessantesten Hamburger Clubs gegründet: der Freihafenkreis! Ein Club ganz besonderer Art mit außergewöhnlichen Statuten. Wer Mitglied werden wollte, hatte schon beim Eignungstest hohe Hürden zu bewältigen. Wo es zu einer Mitgliedschaft im Rotary Club oder im Lyon’s Club zweier Bürgen bedurfte, waren beim Freihafenkreis deren vier erforderlich. Nach seiner persönlichen Vorstellung wurde das künftige Mitglied noch einem Kreuzverhör unterzogen, damit man sich seiner Lauterkeit vollends versichern konnte. Die Zahl der Mitglieder belief sich, in besten Zeiten, auf maximal fünfundzwanzig elitäre, aus feinstem Holz geschnitzte Herren. Größtenteils Männer aus der Werbe- und der Medienbranche sowie Akademiker, aber auch ein paar aus handwerklichen Berufen waren dabei.
Jede Charaktercouleur war vertreten: Nabel der Welt, Erfinder des Rades, gelackt und gegelt, bescheidene Größe, platzende Eitelkeit, witzig (echt und aufgesetzt), freundlich gequält, großzügig, kleinkariert und »einfach-kompliziert«. Da kam keine Langeweile auf. Das konvenierte mir. Bei Verfehlungen gab es, nach gründlicher Überprüfung, auch Ausschlüsse. Dieser Club lag mir besonders am Herzen. Einmal im Monat gab es »Sitzung« im Grill. Ein Elefant aus Bronze, mit nur einem Stoßzahn, war das »Goldene Kalb«, sozusagen das Maskottchen des Clubs und eine unerlässliche
Weitere Kostenlose Bücher