Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
Scherzi wieder so wunderschön herausgearbeitet.« Einige der Gäste verdrehten schon gelangweilt die Augen. Der Maestro hielt sich am Rotweinglas fest. Damit war er bestens beraten. »So und nicht anders«, wiederholte der Speichellecker im Anschluss an seine wichtigtuerischen Sätze wieder und wieder das Dirigentenmotto. »So und nicht anders, so und nicht anders.«
Rudolf Buchbinder – Die Köchin als Messlatte
Unter den vielen großartigen Musikern, die ich in all der Zeit zu betreuen die Ehre hatte, darf mein Landsmann, der geniale Klaviervirtuose Rudolf Buchbinder, nicht fehlen. Seine musikalischen Darbietungen waren mir stets ein unvergessliches Erlebnis. Wer seine Interpretationen der Beethoven-Sonaten gehört hat, wird wissen, wovon ich rede.
Wie sehr habe ich es genossen, ihn im Wiener Musikvereinssaal oder später bei den Salzburger Festspielen zu hören und zu sehen. Vor allem aber liebte ich es, wenn er in Hamburg konzertierte. Dann wohnte er immer im Vier Jahreszeiten und kam nach dem Konzert, oft aber auch schon zu Mittag zum Essen. Auch er ist einer der wenigen Künstler, bei denen ich meinem Prinzip »Künstler in keiner Weise behelligen« untreu geworden bin. Ihn bat ich um ein Autogramm auf einer CD, Straußwalzer für Klavier transkribiert. Schöner und inniger geht’s nicht. Diese CD war, oder ist, so erzählte er mir, auch die Lieblings-CD seiner Frau. Für einen Ehemann eine Auszeichnung erster Klasse.
Ich benahm mich wieder einmal tölpelhaft und merkte vorlaut an, dass ich mir die Walzer auch schmissiger vorstellen könne. Das aber gefiel dem großen Meister ganz und gar nicht. Da zeigte sich auf seinem strahlenden Sonntagsgesicht für Augenblicke der Montag. Er wies mich zurecht, indem er mich darüber aufklärte, dass er ein ernsthafter und ernstzunehmender Künstler sei und kein Kasperl. (Davon gibt es allerdings in der Tat genug.) Für diese Belehrung bin ich ihm noch heute dankbar, hat sie mich doch zu einem anderen, bewussteren Hören der Töne und der Musik »verführt«.
Doch ist Rudolf Buchbinder für mich nicht allein als begnadeter Künstler interessant, sondern auch als großer Genießer. Er beherrscht neben der Tastenkunst auch die Kunst, ein Gourmet zu sein. Ein echter Gourmet. Für jeden Koch und jeden Kellner ist es die Erfüllung, Kennern wie dem Ehepaar Buchbinder Speisen zu servieren, die diese auch zu schätzen und zu würdigen wissen. Und Rudolf Buchbinder ist in diesem Punkt nicht minder kritisch als beim Musizieren. Diesen Umstand höchster Küchenkennerschaft dürfte er in erster Linie seiner zauberhaften Gattin zu verdanken haben. Ich glaube, sie hat ihn mit ihrer eigenen, außergewöhnlich perfektionierten Kochkunst zum Gourmettum verführt und zugleich »verdorben«. Köche aller Welt – bemüht euch!
Bei einem dieser gemeinsamen Soupers bekannte er mir im feierlichen Ton, als würde er einen Heiratsantrag machen: »Mein einziges Ziel ist es« – dabei schaute er zuerst gen Himmel, dann zu seiner Frau – »so gut Klavier spielen zu können, wie meine Frau kochen kann.«
Der Satz »Die Liebe geht durch den Magen« hat bei den beiden absolute Gültigkeit, muss in diesem Fall jedoch um den Zusatz »und durch die Ohren« erweitert werden.
George Gruntz – Ich habe mich keine Sekunde gelangweilt
Mein Herz schlägt nicht nur für die klassische Musik, sondern auch für den Jazz. Zunächst kannte ich nur den traditionellen amerikanischen Jazz, aber inzwischen hat sich mein Jazzhorizont erweitert. 1988 fand auf Kampnagel, dem bekannten Hamburger Veranstaltungsort, die Uraufführung der Jazzoper Cosmopolitan Greetings statt, die der große Schweizer Jazzmusiker George Gruntz zusammen mit Rolf Liebermann, dem damaligen Intendanten der Hamburgischen Staatsoper, nach einem Libretto des berühmte Beat-Dichters Allen Ginsberg komponiert hatte. Das Bühnenbild stammte von Robert Wilson, und Gruntz hatte auch die musikalische Leitung übernommen.
Diese Oper interessierte mich sehr, doch wegen meiner Abenddienste im Vier Jahreszeiten hatte ich nie Gelegenheit, eine Aufführung zu besuchen. Als Cosmopolitan Greetings das vorletzte Mal auf dem Spielplan stand, betraten zufällig Rolf Liebermann und George Gruntz den Grill. Im Gegensatz zu Liebermann, der mit mir nie ein persönliches Wort gewechselt hat, kam Gruntz gleich mit einem freundlichen Lächeln auf mich zu und fragte, sobald er meinen Wiener Dialekt vernahm: »Sind Sie Österreicher?«, worauf ich antwortete:
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