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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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»Ja, ich komme aus Wien.« – »Eben«, sagte Gruntz. »Das habe ich gleich gehört, das sind für mich vertraute Töne, habe oft mit Wiener Musikern zusammen gespielt.« Dann fügte er noch hinzu: »Besonders gern habe ich mit dem berühmten Wiener Saxophonisten Hans Koller gespielt.« Diese kurze Unterhaltung mit mir fand ich sehr mutig von Gruntz, schließlich war er von Liebermann eingeladen, der gewohnt war, dass alle Aufmerksamkeit allein ihm gewidmet war. »Wir Schweizer sind ja Nachbarn«, sagte er noch, um eine wertschätzende Verbindung zwischen uns herzustellen.
    Das hat mich sehr beeindruckt. Von diesem Moment an war der Funke übergesprungen. Er fragte, ob ich die Aufführung schon gesehen hätte, was ich verneinte, worauf er mir – ohne dass ich etwa gefragt hätte, so etwas war im Vier Jahreszeiten nicht erlaubt – gleich zwei Karten anbot, die ich, ausnahmsweise! (es war total ausverkauft), mit großer Freude entgegennahm. Eine der Hauptfiguren der Oper, nämlich die amerikanische Blues-Ikone Bessie Smith, deren Leben im Zentrum der Handlung steht, wurde von der heute sehr berühmten US-Jazzsängerin Dee Dee Bridgewater gespielt und gesungen. Neu für mich war auch der europäische Jazz der Gruntz-Kompositionen, der für meine Ohren völlig anders klang als der mir bislang bekannte amerikanische.
    Im Laufe der Jahre hatte ich viele Male Gelegenheit, mit Gruntz und seiner Frau Lilly, die ihn oft begleitete, über Musik und anderes zu sprechen. Es ist eine Seltenheit, dass große Künstler wie George Gruntz sich so sehr für die persönlichen Dinge anderer interessieren, selbst wenn sie gar nichts mit ihrem Beruf zu tun haben. Die Menschlichkeit hatte beim Ehepaar Gruntz stets einen sehr hohen Stellenwert.
    Als er erfuhr, dass auch ich Musik mache – nämlich meine Liederabende, von denen noch ausführlicher die Rede sein wird –, war er ganz begeistert und legte seine Termine so, dass er beim nächsten Mal dabei sein konnte. Oh, da habe ich mich riesig gefreut! Wenn Künstler unter den Zuschauern sind, ist’s immer ein mulmiges Gefühl, doch bei George Gruntz hatte ich ein sehr gutes; ich spürte sofort, dass er für meine sogenannte Kleinkunst empfänglich war. Er wusste, ich bin Autodidakt und kann nicht vollkommen sein. »Genau das ist es, was den Charme Ihrer Darbietung ausmacht«, sagte er hinterher und fügte noch hinzu: »Ich habe mich keine Sekunde gelangweilt.« Mehr zu wollen wäre vermessen.
    Ehrliches und herzliches Lob von großen Musikern: Das sind die wahren Auszeichnungen im Leben.

Drei Generationen im Vier Jahreszeiten
    Mein Sohn, sitzt du am Tisch eines Großen, dann reiß den Rachen nicht auf! Bei all deinem Tun sei bescheiden … Wer bei Tisch anständig ist, wird gelobt, sein guter Ruf steht fest.
    Jesus Sirach
Die alternierenden Enkel
    Es hat mich immer sehr berührt und erfreut, wenn junge Menschen ins Hotel Vier Jahreszeiten kamen und das wunderschöne Ambiente und den guten Service wertschätzten. Sich sichtlich wohlfühlten. Sich auch den Spielregeln so eines Hauses stellten. Das war mir ein ernstes Anliegen: jungen Menschen die sogenannte Schwellenangst zu nehmen. Ihnen zu vermitteln, dass das Vier Jahreszeiten keine heilige Kuh und kein goldenes Kalb ist. Das Hotel und seinen Jahreszeiten-Grill soll man genießen, nicht anbeten.
    Für junge Menschen ist es da natürlich hilfreich, wenn sie von früh an sozusagen an der Hand genommen und von verantwortungsbewussten Erwachsenen, meist den Eltern oder Großeltern, in die Welt der gehobenen Gastronomie eingeführt werden. Von Menschen wie Anneliese Kölln. Sie war eine wunderbare Frau. Eleganter und zugleich bescheidener kann man ein Restaurant nicht betreten. Dunkles Chanel-Kostüm in Hamburger Blau, dazu ein kleiner zeitloser Hut im gleichen Blauton. Auch wenn das silbrige Haar nur ansatzweise zu sehen war, wusste man doch, es ist auch unter dem Hut akkurat frisiert. Wenn Schmuck, dann nur andeutungsweise. Sie brauchte keine Extrazier. Ihre Persönlichkeit beeindruckte reichlich genug.
    In festgelegten Abständen lud Großmutter ihre vier Enkelsöhne zum Mittagessen ein. Jeden einzeln, in einem bestimmten, vorgegebenen Rhythmus. Die Einladung gewährte den Buben nicht nur das Vergnügen, mit der Großmutter zusammen zu sein; nein, sie durften auch selbst bestimmen, welches Restaurant es sein sollte. Zu meiner Freude wählte keiner von den vieren irgendein gerade angesagtes Moderestaurant. Oh nein, jeder wünschte sich

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