Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
Vom Netzwerk:
den Jahreszeiten-Grill. Es war mir natürlich ein Wichtiges, für diesen Tag wenn irgend möglich den schönsten Tisch zu reservieren.
    Wie gesagt: Wenn junge Menschen, die naturgemäß nur wenig schnöden Mammon in der Tasche haben, Ess- und Tischkultur gebührend zu würdigen und zu schätzen wussten, dann war es mir eine liebgewordene Pflicht, sie entsprechend zu verwöhnen. Möglichst so, dass sie später zu Stammgästen würden, um es mit ihren eigenen Kindern und Enkelkindern vielleicht einmal genauso zu halten wie eben die feine Großmutter Anneliese Kölln. Viele Male ging meine Rechnung auf. So etwa im Falle der Brockmeiers.
Brombeereis auf Umwegen
    Rechtsanwalt Brockmeier macht mit seiner Frau jährlich zwei- bis viermal Ferien auf der Insel Fehmarn. Zwischen ihrem Heimatort Rheine und Fehmarn legen sie eine Rast in Hamburg ein, immer im Hotel Vier Jahreszeiten. Entweder essen sie im Grill zu Mittag oder sie trinken Tee in unserer Wohnhalle. Im Laufe der Jahre entwickelte sich zwischen Brockmeiers und mir die typische Kellner-Gast-Freundschaft. Die, wie stets bei mir, als solche auch geschätzt und geachtet wird. Denn das habe ich mir zum Prinzip gemacht: auch alles, was man »außer der Reihe« macht, immer ehrlich und aus vollem Herzen zu tun. Man muss ja nicht, wenn man nicht will.
    Brockmeiers hatten so ziemlich alles, was man sich mit gesundem Hausverstand wünscht. Was sie nicht hatten, waren Kinder. Welche zu bekommen war, wie bei vielen kinderlosen Ehepaaren, ein sehnlicher Herzenswunsch der Brockmeiers. Allein – es wollte und wollte nicht klappen. Die noch nicht vierzigjährige Frau wird und wird nicht schwanger. Ehe sie ganz verzweifeln, versuchen sie es mit Adoption. Bei jedem Besuch berichten sie mir, in welchem Stadium sich der Adoptionsprozess befindet. Wie lange sie noch warten müssen. Es sollen zwei Kinder sein. »Bei unserem nächsten Besuch, Herr Nährig, kann es sein, dass wir die Kinder schon mitbringen.« Es werden ihnen Kinder aus Brasilien zugesagt. Die Sache ist so gut wie hundertprozentig sicher. Die beiden »Eltern« strahlen um die Wette.
    Beim angekündigten Besuch sind sie dann doch wieder nur zu zweit. Ganz traurig und irgendwie freudig zugleich. »Was gibt es Neues zu berichten, wann kommen die Kinder denn nun?«, frage ich die beiden. »Wir wurden wieder vertröstet«, sagt Herr Brockmeier, »wir bekommen diese Kinder nun doch nicht mehr.« Derweil umspielt ein Lächeln die Lippen der Frau. Ich schau sie fragend an. »Ich bin schwanger«, schreit sie unvermittelt heraus, so laut, dass die Gäste am Nebentisch ihr mitfreudig zunicken. Beim Erzählen der frohen Nachricht scheint die Enddreißigerin immer jünger zu werden. Ja, so was gibt’s.
    Sie wurde nicht nur einmal schwanger, sondern gleich zweimal. Sozusagen en suite . Nun kamen sie immer zu viert ins Vier Jahreszeiten, um zwischen Rheine und Fehmarn zu rasten. Für die beiden Buben gab es etwas ganz Besonderes: Brombeereis! Man muss bedenken: Das alles geschah in den Achtzigern, da galt Brombeereis durchaus als exotische Seltenheit. Vanille, Schokolade und Erdbeere, die wurden zumeist angeboten: die klassischen Sorten. Schon bei der Abfahrt nach Fehmarn wurde der Pause an der Alster entgegengefiebert. Vorsichtshalber kündigte der Vater den Besuch schon im Vorweg an, damit auf jeden Fall Brombeereis in ausreichender Menge vorhanden war.
    Dieses Kindheitserlebnis hat sich in den Köpfen der beiden Buben so eingeprägt, dass sie auch heute noch in regelmäßigen Abständen kommen (und jetzt die Eltern mitnehmen), um Brombeereis zu essen. Das Rad dreht sich weiter, und wir können wieder einmal sehen, wie einfach und zugleich wichtig es ist, Gästen ein unvergessliches Erlebnis zu bescheren und damit für einen bleibenden Eindruck zu sorgen.

Das Doggybag
    Rosemarie Kohlmeier, sieben Jahre jung, hat Geburtstag. Ein herrlicher Sommertag. Der Vater, Justus Kohlmeier, hat beschlossen, diesen Tag mit einem Mittagessen im engsten Familienkreis im Jahreszeiten-Grill zu feiern: nur Vater, Mutter, der vierjährige Benny und das Geburtstagskind. Es soll ein unvergesslicher Tag werden. Im Wissen um die Besonderheit dieses Tages habe ich einen schönen Fenstertisch mit Alsterblick vorgesehen.
    Aus der Halle höre ich schon die Stimme eines kleinen Jungen. Benny. Er kommt auch als Erster ins Restaurant. Der Mutter ist es gar nicht recht, dass er so übermütig vorausläuft. »Benny, warte doch, so warte doch, bis wir auch kommen.«

Weitere Kostenlose Bücher