Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
Benny ist nicht aufzuhalten. Er steht schon mitten im Restaurant und hüpft auf dem schwarz-weißen, schachbrettähnlich verlegten Parkettboden von einem Feld auf das andere und wieder zurück. Wenn es ihm gelungen ist, zwei Felder auf einmal zu überspringen, ruft er durchs Restaurant: »Mama, Papa, schaut, wie weit ich springen kann.« Dann fordert er laut seine Schwester auf: »Rose, komm, spring mit mir um die Wette!« Er versucht, noch ein drittes Feld zu überspringen, und fällt dabei hin. Jetzt wird auch der Vater ein wenig unruhig. »Wenn du dich nicht gleich artig benimmst, werden wir für dich heute kein Schnitzel bestellen.«
Benny merkt, dass Vater es einigermaßen ernst meint, und schlurft mit hängendem Kopf zum Tisch. Alle vier stehen im Halbkreis versammelt um den Tisch und Vater bestimmt die Sitzordnung. »Du«, meint er zu seiner Frau, »setz dich bitte hier hin, damit du den Blick auf das Wasser hast.« Der Kleine verfolgt, was Vater sagt. »Ich möchte auch auf den See gucken«, sagt er mit weinerlicher Stimme und reibt sich dabei Nase und Augen. Vater lässt sich nicht beirren. »Rose sitzt neben ihrer Mutter« – denn dieser Platz ist mit Rosenblättern verziert – »und du Benny zwischen mir und deiner Schwester.«
Das wäre schon einmal erledigt. Alle sitzen. Jeder bekommt eine Speisekarte. Auch Benny. Er schaut die Karte, die er doch nicht lesen kann, gar nicht an und ruft laut: »Ich möchte ein Schnitzel und Spaghetti.«
»Warte doch ein wenig, bis wir auch ausgesucht haben, und dann bestellen wir alle gemeinsam«, sagt Vater. Rosemarie fragt ihre Mutter leise: »Sollen wir auch eine Vorspeise essen?« Vater hat es trotzdem gehört und antwortet mit sonorer Stimme: »Heute ist ein Festtag und wir sollen es gut haben und für jeden eine Vorspeise oder Suppe, ein Hauptgericht und auch noch etwas Süßes hinterher bestellen.«
»Ich will Schnitzel und Spaghetti«, wiederholt Benny nun schon ein wenig ärgerlich. Die Mutter legt die Speisekarte weg. »Ich weiß schon, was ich will.«
»Was nimmst du?«, fragt Rosemarie.
»Sag ich nicht«, sagt die Mutter, »heute soll jeder das essen, worauf er sich schon seit Wochen freut.«
»Ich nehme Hummercremesuppe und gebratenen Steinbutt«, verkündet der Vater.
»Nein«, die Mutter lacht hell auf, »genau dasselbe habe ich auch ausgeguckt.« Rosemarie schüttelt den Kopf: »Nee, Fisch mag ich nicht, ich nehme auch ein Schnitzel wie Benny, aber vorher möchte ich Salat.« Nun werden noch die Getränke besprochen und dann wird alles bestellt. Alle freuen sich. Harmonie am ganzen Tisch.
Die ersten Speisen werden serviert, Suppen, Salat und für Benny Spaghetti. »Warum krieg ich kein Schnitzel?«, fragt Benny ganz enttäuscht.
»Wir essen jetzt alle gemeinsam diese Speisen und dann essen wir noch einmal gemeinsam die anderen Speisen«, erklärt der Vater seinem Sohn. Der Sohn ist damit einverstanden.
»Schade, dass du keinen Fisch magst«, meint die Mutter, schaut zu Rose, »man sagt, Fisch ist gesund.« Die Mutter ist im Übrigen eine noch recht junge, hübsche Frau. Glänzendes goldblondes, zu einem Pferdeschwanz gebundenes Haar. Sie hat die gleichen grünen Augen wie ihre Tochter, und die Tochter hat wiederum die gleiche Haarfarbe wie die Mutter und trägt ihr Haar auch zu einem Pferdeschwanz gebunden, mit dem Unterschied, dass Rosemarie ein Pony in die Stirn hängt, während Mutter die Haare glatt und streng zurückgekämmt hat.
»Ich bin schon fertig«, ruft Benny, »hab alles aufgegessen.«
»Na, dann wird’s ja morgen wieder schönes Wetter geben«, sagen die Eltern wie aus einem Munde und lachen zufrieden. Teller und Tassen werden abserviert und kurz darauf kommen die Hauptspeisen. Fisch und Schnitzel werden aufgetragen. Benny schaut sein Schnitzel an, dann das von Rosemarie, schaut noch mal auf das seine und sagt gekränkt: »Warum hast du ein größeres Schnitzel als ich?«
»Deines ist dafür dicker«, sagt die Mutter. Benny glaubt es ihr nicht so recht, aber er lässt es dabei beruhen. Alle essen genüsslich. Am Tisch herrscht Harmonie.
Benny isst immer langsamer, kaut immer weniger. Auch Rosemarie hat nicht mehr so viel Appetit. »Ich kann nicht mehr«, sagt Benny, »bin pappsatt.« Rosemarie fragt ihre Mutter, ob sie das Stück, welches auch ihr zu viel ist, vielleicht mit nach Hause nehmen könne. »Sicher«, sagt die Mutter, »ich frage den Ober, ob er es einpacken kann.«
»Aber ja«, erwidere ich, ein sogenanntes
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