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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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seinem Gesicht! Ich vernehme die Worte: » Una registrazione di trenta anni fa « (Diese Aufnahme habe ich vor dreißig Jahren gemacht).
    Oh, wie war ich froh über seine gute Laune und sein Schmunzeln! Er nimmt den Stift, dreht die Platte um und sieht, zu seinem und auch meinem Erstaunen, dass die Schallplatte bereits unterschrieben ist. Von ihm selbst. Wieder mit strengem Gesicht sagt er: » Ha anche un disco che io non abbia autografato? « (Haben Sie auch eine Platte, die ich noch nicht unterschrieben habe?). Aus unerfindlichen Gründen hatte ich seine Unterschrift übersehen. Am liebsten wäre ich mit schamrotem Gesicht im Boden versunken.
    Trotzdem: Den Maestro habe ich einmal zum Lächeln gebracht.
Christoph Eschenbach und Co. – Das Kohlrabitrauma
    Meine oftmaligen Begegnungen mit Christoph Eschenbach sind mir in besonders angenehmer Erinnerung. Der fantastische Pianist ist heute vor allem auch ein aufregender Dirigent sowie Entdecker und Mentor vieler junger Talente – hervorzuheben ist der jetzt weltbekannte Klaviervirtuose Lang Lang. Auch ihm hat Christoph Eschenbach in Hamburg die ersten Schritte geebnet. Die beiden musizierten viele Male zusammen. Wenn sie in Hamburg ein Konzert gegeben hatten, kamen sie hinterher zum Soupieren immer in den Jahreszeiten-Grill. Oft mit einer ganzen Truppe. Meist mit dabei die Verlegerin Antje Landshoff-Ellermann, Christopher Tainton und manchmal Tzimon Barto, auch er ein begnadeter Pianist. Amerikaner. Spricht sieben Sprachen, unter anderem Chinesisch. Großer, gut aussehender Mann, meist mit wunderschönen weißen, wallenden Seidenhemden bekleidet. Der durchtrainierte Körper immer von Floridas Sonne gebräunt. Seine funkelnden blauen Augen strahlen mit seinem Lachen um die Wette. Seine herzliche Umarmung beim Betreten des Restaurants genieße ich sehr. Es ist kaum zu glauben, dass diese kräftigen Arme mit den schlanken Händen die Klaviertasten so zart berühren, befühlen, bedienen können.
    Tzimon Barto ist hungrig. »Ich nehme einen großen gemischten Blattsalat und danach die gebratene Vierländer Ente«, sagt er. Ich erlaube mir den Hinweis: »Die Vierländer Ente ist für zwei Personen.« Darauf er, mit süßsaurem Lächeln und etwas ärgerlich: »Ich bin zwar Amerikaner, aber spreche ich so schlecht Deutsch?« Ich hatte verstanden. Als die Ente serviert wird, vertilgt er sie auf einen Sitz .
    Lang Lang spielt mit Gabel und Messer, macht Männchen, macht Schabernack. Das Kind im Genie und umgekehrt. Zu dieser Zeit war er wohl auch beinahe noch ein Kind. Vielleicht um die fünfzehn Jahre alt?
    Der kleine Christopher Tainton, den ich schon als sechzehnjährigen Jungen kennengelernt habe, bittet mich immer, Geschichten zu erzählen. Er vergisst, dass ich Oberkellner bin und kein Märchenonkel. Mein Gott, welch schicker junger Mann war er in seiner frühen Jugend! Nun ist er über dreißig und hat zu viel gegessen. Er ist ein wenig zu rund geworden. Trotzdem, ich mag ihn sehr gern. Ein sehr guter, leider zu selten spielender, ernsthafter Pianist. Übt täglich wie ein Besessener. Wenn ihn einmal der Müßiggang plagt, ruft er sich die folgende Geschichte vor Augen. Ein berühmter Pianist (ich glaube, es war Wilhelm Backhaus) sagte einmal: »Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich es. Wenn ich zwei Tage nicht übe, merkt es meine Frau, und wenn ich drei Tage nicht übe, merkt es das Publikum.« Da ist was dran.
    Christoph Eschenbach selbst ist ein höchst angenehmer Zeitgenosse. Einer der Menschen, die über sich selbst lachen können. Sein stets schwarzes, hängendes Plisseehemd (braucht man nicht bügeln) und die engen Beinkleider lassen ihn fast jugendlich erscheinen. Wenn er guten Fisch, guten Käse und guten Rotwein in ausgewogenen Quantitäten bekommt, ist die außermusikalische Welt für ihn in Ordnung. Irgendwann hatte ich herausgefunden, dass er gerne Käse mag, aber nicht die Rinde, woraufhin ich ihm ab sofort nur noch Käse ohne Rinde servierte. Der Lohn: ein ehrlicher Blick des Dankes, ohne ein Wort. Hat mich berührt!
    Das Trauma seiner Kindheit ist Kohlrabi. In seiner frühen Kindheit gab es Kohlrabi bis zum Abwinken. Es war Krieg. Sein Credo: »Bitte keinen Kohlrabi auf den Teller.« Eines Abends war ich wieder einmal vom Teufel geritten und bestellte in der Küche eine Variation von Kohlrabi. Kohlrabi in Scheiben. Kohlrabi gebacken. Kohlrabisalat und Kohlrabipüree. Alle seine Gäste bekommen ihr bestelltes Essen und zuletzt erhält der Maestro

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