Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
Lamborghini Miura hat und welches Charisma der Ferrari Lusso. Kaum zu glauben, welch faszinierende Schönheit dem Ferrari 330 innewohnt und wie einen die Chevrolet Corvette Sting Ray vom Nacken bis in die Zehenspitzen kribbeln lässt. Wenn man so ein fahrbares Juwel hat, dann soll man’s auch zeigen. Und da Herr Moffat nun mal keine vier Autos alleine fahren kann, bin ich ihm gerne behilflich. Es ist angerichtet!
Solch ein Gefährt, so ein Gefährte , will ehrfurchtsvoll gehandhabt werden. Ich frage den Wagen im Stillen: »Darf ich einsteigen? Ist es dir recht, wenn ich dich jetzt in Betrieb setze und starte?« So ein Auto hat eine Seele, gibt klare, unmissverständliche Anweisungen, die es zu befolgen gilt. Dieses Mal lautet die Antwort Ja. Das ist nicht immer so.
Und los geht die Fahrt! Die schleswig-holsteinischen Wälder sehen aus so einem Auto gleich viel grüner, schöner, lieblicher aus. Woran das wohl liegt? Natürlich, man sieht bei einer derart berauschenden Fahrt alles irgendwie durch die »rosarote Brille«, aber das allein kann nicht das ganze Geheimnis sein. Was ist es dann? Ist es die kultivierte, geradezu brucknerische Motorenmusik, liegt es an der Form, die jeder Mode trotzt, oder ist es das Bouquet aus den Düften von Saffianleder, kaukasischem Wurzelholz und eingeatmeten Treibstoffdämpfen, was meine Seele so ergreift?
»Die Seele ist ein weites Land«, hat Arthur Schnitzler formuliert. Vielleicht hat er auch eine Seelentapete wie diese gemeint.
Der Liebhaber und sein Mercedes-Coupé
Beim Durchblättern einer Zeitschrift für »Classic Cars« stieß ich einmal auf die Abbildung eines wunderschönen Mercedes 300 Sc Coupé, Baujahr 1955. Ohne Preisangabe zum Verkauf angeboten. Ab einer bestimmten Höhe werden die Preise nicht mehr offen genannt, es bedarf einer Anfrage.
Es war ein ruhiger, früher Abend, wenig Gäste im Grill. Mein getreuer Stammgast Hans Peter Müller, von seinen Freunden nur H. P. genannt, sitzt an seinem Tisch. Er hat zwei »seine« Tische. Der eine, ein Ecktisch gleich am Eingang, von dem aus man das ganze Restaurant im Blick hat, alle Neuankünfte sowie Abgänge mitverfolgen und auf diese Weise prächtige Milieustudien betreiben kann, und der andere ein Tisch in Fensternähe mit Blick auf die Binnenalster. Dieser Tisch ist gemeinhin für Herrn Müllers Gespräche mit Geschäftspartnern vorgesehen und wird von ihm »Verhörtisch« genannt.
Herr Müller ist Schwabe mit Hamburger Wurzeln und das, was der Volksmund einen sehr wohlhabenden Mann nennt. (Nun gut, das ist auch vorteilig, wenn man im Hotel Vier Jahreszeiten Hof hält.) Ein sehr untypischer Schwabe. Die charakteristisch schwäbische Sparsamkeit bis hin zum Geiz ist bei ihm recht verkümmert. Ein guter Zug von ihm. Akkuratesse ist bei ihm eine Notwendigkeit. Und sehr gebildet ist er auch, vielleicht mit leichtem Hang zur Arroganz. Heute Abend hat er für sich allein reserviert. Das bedeutet, einige Anweisungen zu beachten: zwei kleine Flaschen Fachingen, Zimmertemperatur, ungeöffnet, auf Siberuntersätzen, einen Kronkorkenöffner daneben. Rechts daneben. Links daneben wäre ein fataler Fehler mit Folgen.
Eine halbe Flasche guten Bordeaux oder feinsten toskanischen Tignanello, den wiederum geöffnet. »Der Wein muss atmen«, betont Herr Müller. Eine kleine Karaffe kaltgepresstes Olivenöl (keine Butter – Cholesterin!) und gutes Brot. Nicht zu hell, nicht zu dunkel. Dieses Prozedere ist seit vierzig Jahren das gleiche – so lange ist er schon regelmäßiger Gast im Hotel. »Ich stelle mich nicht mehr um, ich bleibe bei meinen langjährigen Gewohnheiten«, sagt Herr Müller. Das Wichtigste aber ist die Bild -Zeitung. »Hier steht alles drin, was ich wissen möchte«, meint er, während er genüsslich blättert. »Die Hälfte des Inhalts streiche ich weg und was übrig bleibt, stimmt.« Auch eine Weisheit.
Er wird von allen Mitarbeitern geachtet und von manchen auch gefürchtet, da er, wenn nötig, seine Wünsche oder seine Unzufriedenheit unüberhörbar kundtut. Eines Tages schreite ich durch die Wohnhalle und Herr Müller sitzt an einem Ecktisch: aufgeregt, wutschnaubend und förmlich in sich hineingefressen. Ich gehe zaghaft zu ihm hin und frage: »Herr Müller, was ist denn geschehen?« Seine Augen werden immer größer, sprühen immer grellere Funken.
»Haben Sie es noch nicht gehört?« Wenn etwas bei ihm schiefgeht, dann möchte er, dass alles Personal im Hotel es weiß. Nach dem Prinzip: Wenn ich mich
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