Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
Hotel zurückzugehen. »Der Wagen ist ja wie neu.« Da dreht er sich noch einmal um, sagt zum Händler: »Bringen Sie mir den Wagen in drei Tagen, ich will ihn dann von einem Fahrer zu mir nach Stuttgart bringen lassen.« Ich bleibe in der Garage zurück und bitte den Händler, er möge mich doch von der Garage zum Haupteingang des Hotels bringen. Ich möchte diese kurze Fahrt erleben und genießen. Der Händler setzt sich hinter den Lenker, will starten, der Motor springt nicht an. Er macht noch drei Versuche. Schüttelt den Kopf und meint: »Kann ich nicht verstehen, kann ich nicht verstehen.« Erst der vierte Versuch ist erfolgreich, der zündet. »Oh«, bemerke ich, »da haben Sie aber Glück gehabt, dass Müller die Probefahrt abgelehnt hat, das hätte ihn womöglich vom Kauf abgehalten.«
Wir verlassen die Garage. Kaum auf der Straße, springt das Auto wie ein brünstiger Ziegenbock. Meine Miene verfinsterte sich etwas. Ich fühlte mich ja für die Qualität des Fahrzeuges irgendwie mitverantwortlich. Ich hatte Herrn Müller hinsichtlich der Seriosität des Händlers mein Wort gegeben. Im nächsten Moment blieb das fantastische Automobil sogar stehen. Der Motor ging aus. Kein Mucks. Kein Ton. »Das«, sage ich zum Händler, »wäre jetzt Ihr Todesurteil, wenn Müller die Probefahrt in Anspruch genommen hätte.«
Das Fahrzeug kam wieder in Fahrt, wurde in der Werkstatt genauestens untersucht und schließlich in den besten Zustand gebracht. So etwas sollte nicht wieder passieren. Nun geschah aber etwas ganz anderes – etwas, was dem Liebhaber schöner alter Autos schier das Herz bricht.
Ein wirklich kluger Mann sagte einmal zu mir: »Wenn Sie die Wahl zwischen einem schönen alten Auto und einer Frau haben, nehmen Sie das Auto. Die Kosten sind kalkulierbarer.« Er hatte viele schöne Oldtimer. Eine andere Weisheit von demselben Mann: »Hätte ich zwei Frauen und ich müsste entscheiden, mich von einer zu trennen, hätte ich kaum Probleme. Bei zwei schönen Autos wäre ich ratlos.« Dieser Mann hätte sich vermutlich anders entschieden als H. P. Müller, bei dem sich die Sache freilich noch eine Stufe komplizierter verhielt.
Herr Müller hatte meist eine bis drei Freundinnen. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Das ließ sich auch irgendwie vereinen. Nur – drei Frauen und das Mercedes Coupé ließen sich leider nicht vereinen. Das Schicksal wollte es nämlich, dass jede der Damen dieses Auto sehr mochte und gerne damit fahren wollte. Da den Damen indes jedes Gefühl für automobilistische Authentizität abging, wollte nun fatalerweise jede den Wagen nach ihren persönlichen Vorlieben und Bedürfnissen modifizieren. Die eine, aus arabischen Ländern stammend, wollte unbedingt eine Klimaanlage eingebaut bekommen. Gut, das kannte sie aus ihrem Herkunftsland, aber fürchtete sie an der Nordsee denn Sahara-Temperaturen?
Das andere Mädchen kam aus Asien und war sehr klein und zierlich. Wenn sie hinter dem Lenkrad saß, konnte sie nicht über dieses riesige Volant sehen, sondern musste zwischen dem verchromten Hupenring und dem schwarzen äußeren Lenkradring durchschauen, um überhaupt durch die Windschutzscheibe blicken zu können. Auch der Sitz musste so justiert werden, dass er sich so weit vorn wie möglich befand, damit sie mit ihren kurzen Beinen die verschiedenen Pedale erreichen konnte, was aber wiederum zur Folge hatte, dass das große Lenkrad auf ihren Busen drückte. Da diese ungünstige Sitzposition die ohnehin nur in geringem Maße verfügbaren Kraftreserven der Dame zusätzlich schmälerte, bestand sie darauf, eine Servolenkhilfe eingebaut zu bekommen, was nun wieder für Stabilität und Straßenlage dieses alten Autos sehr ungünstig war und das Fahrverhalten beeinträchtigte.
Die dritte war groß, schlank und blond. Mit sehr ausgeprägten Wangenknochen, die das Gesicht zu einer Art Würfel mutieren ließen. Bei jeder Gelegenheit kicherte sie, wobei sich ihr Kopf noch mehr zu einem Viereck formte. Als sie die verchromten Knöpfe und Schalter am Armaturenbrett sah, kicherte sie gleich, schaltete einen kleinen Hebel nach oben, »hi hi hi hi«, dann wieder nach unten, »hi hi hi hi«. Sie kam aus dem Osten, war Litauerin, und wollte unbedingt eine hypermoderne Stereoanlage eingebaut bekommen, damit sie das Liedgut ihrer Heimat hören konnte, wann und wo sie wollte.
Herr Müller, ein gescheiter, edel und logisch denkender Mensch, machte das einzig Richtige, was man in so einem Fall tun kann, um sich
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