Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
drei Stunden zuvor der Arzt erzählt hatte, auch wenn mir beide zum gleichen Mittel rieten.
Am nächsten Tag sitzt wieder ein bekannter praktischer Arzt in der Wohnhalle beim Tee. Wie er mich sieht, fragt er besorgt: »Was macht die Stimme?« Seine Besorgnis ist nur zu begründet, hatte doch auch er für besagten Abend Plätze bestellt. »Ich bin nicht sicher, ob ich singen kann, mein Hals kratzt.« – »Oh«, sagt er, »das haben wir gleich, da helfe ich Ihnen.« Er greift sofort nach seinem Handy und wählt eine Nummer. Minuten später eröffnet er mir die erfreuliche Nachricht: »Habe soeben mit dem besten HNO-Arzt, einer Koryphäe auf seinem Gebiet, telefoniert, morgen bekommen Sie ein Rezept auf ein Medikament, das Sie laut Anweisung nehmen, und in drei Tagen sind Sie topfit.«
In weiser Voraussicht hatte ich da jedoch schon meinen Termin bei Dr. Brunckhorst vereinbart. Als er mein Leid sieht, tröstet er: »Vertrauen Sie mir, ich krieg Sie hin.« So ganz nebenbei erzähle ich von dem Wundermittel, das mich in drei Tagen fit machen soll. »Völliger Unsinn«, sagt Dr. Brunckhorst entschieden; das Mittel würde, wenn überhaupt, nur kurzzeitig helfen. Die Moral von der Geschicht’: Frag zu viele Ärzte nicht!
Die eigentliche Medizin, die einzige, die mir wirklich half, hatte ich nun in der Tasche, nämlich die Mobilnummer von Dr. Brunckhorst, die er mir mit den Worten mitgab: »Wenn Sie am besagten Abend Probleme bekommen, scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen. Ich komme und helfe Ihnen.« Dann fügte er noch hinzu: »Behandeln Sie Telefonnummer diskret.«
Ich brauchte ihn gar nicht anzurufen. Ich habe gesungen wie eine Lerche oder wie eine Nachtigall. Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls war’s kein Rabe. Allein zu wissen, ich kann jederzeit anrufen, war das beste Rezept!
Eine amtlich wienerische Auszeichnung
Zu einem meiner Liederabende kam, von Hamburger Gästen eingeladen, auch ein Wiener Ehepaar. Die Hamburger wollten den Wienern die Verbundenheit ihrer Städte vorführen. Diese waren recht angetan. Das beteuerten sie am Abend mit den Worten: »In Wien kann man solch einen Abend nicht schöner erleben.« Das freute mich ganz außerordentlich.
Die Gäste reisten wieder zurück in die Donaumetropole. Etwa vierzehn Tage später bekam ich einen Brief aus dem Wiener Rathaus. Großes Kuvert. Als Erstes nahm ich eine mit blauem Leder bezogene Mappe heraus. Das Leder war nicht echt. Blauer, genarbter Kunststoff. Auf der Mappe stand in goldenen Lettern (auch das Gold natürlich falsch) »Auszeichnung« geschrieben. Darin fand sich ein Brief mit den Worten: »Herrn Nährig zum Dank für besondere Verdienste um die musikalische Werbung für die Stadt Wien.« Jedenfalls etwas in diesem Sinne. Nach der ersten Freude dachte ich: typisch Wien. Man singt ein paar Lieder und es gibt gleich einen Orden dafür. Dafür habe ich mich mit den folgenden Sätzen bedankt:
»Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für diese schöne Auszeichnung, welche Sie mir haben zukommen lassen. Es hat mich sehr gefreut.« Dann setzte ich, frei nach einem bekannten Zitat von Max Reger, hinzu: »Ich sitze im kleinsten Raum meines Hauses und habe Ihr Blatt Papier vor mir – gleich habe ich es hinter mir.«
Bis heute habe ich auf diesen Brief keine Antwort bekommen. Wie so oft hat man mich wohl falsch verstanden.
Extraservice: Auch ein Auto will bedient werden
Automobil im wahren Sinn des Wortes: Nachdem der Chauffeur den Wagen angekurbelt hatte, wurde er von ihm überfahren. Nun geht es so weiter.
Karl Kraus
Die Erotik alter Autos
Autos übten schon immer eine besondere Faszination auf mich aus. Und alte Autos haben für mich eine ganz eigene Erotik. Hat vielleicht damit zu tun, dass ich erst mit zwölf Jahren zum ersten Mal in meinem Leben in einem Automobil mitfahren durfte. Bin nicht sicher, ob ich später jemals wieder so aufgeregt war. Der Wagen gehörte unserem Hausarzt. Ein Opel Olympia Rekord von 1957, himmelblau mit weißem Dach. Zu meiner Jugendzeit war das ein Auto für »reiche Leute«. Das Schicksal wollte es, dass ich Jahrzehnte später auch so einen Opel erworben habe. Genau das gleiche Modell, die gleiche Farbe. Jetzt war auch ich »Reiche Leute«.
In meinem Berufsleben durfte ich noch viele andere Menschen kennenlernen, die von der Faszination schöner Autos wie von einem Virus befallen waren – und die zudem meist über die monetären Mittel verfügten, diesen Virus zu »behandeln«. Wobei die Karossen
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