Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
Vom Netzwerk:
meiner Gäste weniger Käfer oder Opel waren, sondern eher die edlen Produkte von Mercedes, Bentley, Ferrari und anderen Nobelmarken, die nur um horrende Summen zu haben sind.
    Da ist zum Beispiel ein mir bekannter Hamburger Kaufmann, der sich seinen Traum vom Rolls-Royce erfüllt hat. Baujahr 1969. Wunderschönes edles Fahrzeug. Armaturenbrett aus feinstem Wurzelholz geschnitzt. Es blieb nichts zu wünschen übrig. Eigentlich. Der Besitzer hatte nur einen kleinen Fehler gemacht: Er hatte die Kühlerfigur vergolden lassen. Das war sehr unhamburgisch , würde ich sagen. Zu viel des Guten. Butter auf dem Speck. Manchmal ist genug nicht genug, und dann wird es rasch zu viel.
    Auch ich habe meine Automobil-Träume. Allerdings weiß ich inzwischen: Träume sollen Träume bleiben. Mit ihrer Erfüllung ist der Traum oft schlagartig aus. Der Traum von eben wird zum Tand von jetzt. Hübsch anzusehen, mehr aber nicht. Das brennende Sehnen verliert sich, verfliegt. Die subjektive Vision wird zur objektiven Betrachtung. Manchmal aber ist es natürlich dennoch schön, wenn man sich diesen oder jenen Traum erfüllen kann – und wenn es nur für eine Weile ist. Ganz in diesem Sinn hat es meine dienstbare Kellnertätigkeit bisweilen mit sich gebracht, dass ich die edlen Gefährte der Besucher des Hotels Vier Jahreszeiten nicht nur von außen anstarren, sondern auch fahren konnte – und das nicht aus eitel Eigennutz, sondern stets getreu meinem Motto, dem Gast in allen nur möglichen Formen zu dienen. Hiervon soll in den folgenden Episoden die Rede sein.
Der Kellner als Autoausführer
    Ein Auto ist nichts wert, wenn es nicht fährt, und gerade alte Autos müssen hin und wieder bewegt werden, damit sie sozusagen »bei Kondition« bleiben. Ich bin ein Liebhaber alter Autos, das Dienen ist meine Berufung, und so versteht es sich von selbst, dass ich es sehr genoss, wann immer sich für mich dergestalt Passion und Profession miteinander verbinden ließen. So mancher Hundeliebhaber führt gerne die Vierbeiner der Nachbarschaft aus. Ich tat ein Gleiches mit den »Vierrädern« meiner Gäste.
    Da war etwa Jonathan Meier, ein hanseatischer Genießer der englischen Kultur des gepflegten Understatements. Wenn immer ein wohlhabender Brite in den Sechzigern keinen Rolls-Royce oder Bentley fahren wollte, fuhr er Jaguar Mark II mit einem Hubraum von 3,8 Litern. Sozusagen ein sportlich-legerer Mittelklassewagen. Dieses nicht zu übersehende Understatement schwappte bis Hamburg, und in seinen Wellen planschen die feinen Hanseaten noch immer. In diesem Geist fährt Herr Meier, wann immer dazu Zeit bleibt, mit seinem bordeauxroten Mark II vor dem Hotel Vier Jahreszeiten vor. Beide strahlen Noblesse aus. Der Besitzer, der etwa zur gleichen Zeit das Licht der Welt erblickte wie sein Wagen, hat selbst etwas von einem englischen Lord. Um meiner autophilen Sucht etwas Linderung zu verschaffen, »bat« er mich, das Fahrzeug zu bewegen, damit es nicht »abkühle«, wobei er nachgerade entschuldigend hervorhob, dass es sich dabei nun einmal um nötige Erforderlichkeiten handele. Mich packte ein erregtes Kribbeln und Krabbeln wann immer ich mich an die Erfüllung besagter »Erforderlichkeiten« machte.
    Und da war der Hamburger Kaufmann Uwe Meinke, mit seinem Dodge Polara 500 – einem echten amerikanischen Straßenkreuzer – und seinem Zweitwohnsitz in Florida. Ich versuchte Herrn Meinke immer wieder zu erklären, dass er und seine Frau für das auch »Wartezimmer Gottes« genannte Seniorenparadies im Südosten der USA noch viel zu jung und lebendig seien, es half nichts, die beiden flogen immer wieder in das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten. Sein 1967er Dodge Polara Coupé indes hatte seinen Standplatz in Hamburg. Viele Male bat Herr Meinke mich, dieses Fahrzeug doch ein wenig »auszuführen«, was meiner Autophilie natürlich sehr entgegenkam.
    Einmal verabredeten wir uns für zehn Uhr morgens in der Hotelgarage. Ich konnte es gar nicht erwarten, stand bereits um 9 Uhr 15 sehr aufgeregt parat und wartete in Höchstspannung auf die Übergabe. Nie zuvor hatte ich ein derartiges US-Auto in Händen und Pedalen gehabt. Endlich hörte ich aus der Ferne das Donnern und Gurgeln des 7,2-Liter-Aggregats eines Achtzylinder-Big-Block-Motors. Als Erstes zeigte sich ein vieräugiges Kühlergesicht mit dicker Nase von zwei Metern Breite. Das Heck des »Schiffes« wurde nach 5,40 Metern sichtbar. Schnell überschlagen, brauchte ich dafür einen Parkplatz von etwa

Weitere Kostenlose Bücher