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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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    Wie die Köchinnen war auch das übrige Personal weit über siebzig und achtzig Jahre alt. Der Stallbursche, meine ich, war sicher fünfundachtzig, jedenfalls hinkte er mehr als das zu betreuende Pferd. Lediglich ein Zimmermädchen, eine Aushilfe, war um die zwanzig. Sehr humorvoll und bildhübsch, rettete sie mich über den Tag.
    Für Samstagnachmittag hatten sich Maria-Theresia und Emil auf einen Besuch angemeldet. Sie freuten sich darauf, ein Wochenende in diesem großartigen Schloss zu verbringen. Das schönste Fürstenzimmer im Westturm hatte ich vorbereitet. Stunde um Stunde sitze ich im Tearoom am Fenster und warte, dass sie endlich ankommen. Schließlich wird es Abend. Es hat nicht sollen sein.
    Und montags kam der Tag der Abreise. Schade. Mir hatten meine Tage in Schottland wunderbar gefallen. Trotz der vielen Stunden Arbeit war es alles in allem ein sehr erholsamer Aufenthalt. Am Vormittag bat mich der Baron zu sich und fragte, was ich für die getane Arbeit zu bekommen hätte. Er solle mir nur den gleichen Lohn zahlen wie seinem übrigen Personal, erklärte ich ihm. Das war herzlich wenig. Gut, man sagt es den Schotten ja nach, dass ihnen der Geldbeutel nicht gerade locker sitzt. Doch meine Tätigkeit hatte mir so viel Spaß und Freude bereitet, dass es mich für alles entschädigte. Bei der Verabschiedung am Bahnhof drückte er mir dann noch eine viereckige braune Schachtel in die Hand, mit den Worten: »Als kleine Erinnerung an die Zeit, die Sie mit uns verbracht haben und wofür ich Ihnen sehr danke.« Oh, dachte ich, das ist wohl eine Schachtel mit diesen schrecklichen Biskuits.
    In Hamburg angekommen, schob ich die Schachtel voller Verachtung in die Ecke. Doch einige Tage später geschah es, dass ich nichts Essbares im Haus, aber großen Hunger hatte. Jetzt, dachte ich, ist Zeit und Gelegenheit, die Biskuits zu essen, ehe sie verderben. Öffne also die Schachtel, und in der Schachtel finde ich noch eine Schachtel. Weißer, lederähnlicher Kunststoff. Nehme die weiße Schachtel aus der braunen, mache sie auf und siehe da: eine Uhr. Die Marke sagt mir nichts. Tage später sehe ich im Schaufenster des Juweliers Wempe am Jungfernstieg »meine« Uhr liegen: »Jaeger-LeCoultre Reverso«. Sehr besonders und wertvoll. Aha, denke ich, der Baron hat wohl ein schlechtes Gewissen ob der schlechten Bezahlung bekommen. Und die Moral von der Geschicht’: Unterschätz die Schotten nicht!
Ein Glas Wein in Salzburg
    Ab und zu gehe ich am noblen Bankhaus Berenberg am Neuen Jungfernstieg vorbei und schaue durch die großen Fensterscheiben, um einen kleinen Blick auf das Porträt von Heinrich Freiherr von Berenberg-Gossler zu werfen. Mir erscheint es so gut gemalt, seine Persönlichkeit so gelungen widerzuspiegeln, dass es mir angenehme Erinnerungen an lang zurückliegende Tage ins Gedächtnis ruft.
    Ein guter Grund, Sonntagmittag Dienst zu machen, war es zu wissen, dass der Baron mit seiner Frau zum Essen kam. Das Erscheinen der beiden war eine große Auszeichnung für den Grill; schließlich stand des Barons alltäglicher Mittagstisch im Anglo-German Club an der Außenalster. Aber der Sonntag sollte für ihn anders sein. Baron von Berenberg-Gossler war einer der wenigen ganz außergewöhnlichen, bemerkenswerten Menschen. Er war kein Banker, er war Bankier !
    Gegen 12 Uhr 30 betreten Baron und Baronin den Grill. Sie, schlichte Hamburger Eleganz, hat allein von ihrer Persönlichkeit schon genug Präsenz, dass es weder Putz noch prunkvollen Geschmeides bedarf. Er trägt dunklen Anzug oder auch eine Kombination aus grauem Sakko und dunkler Hose. Die Baronin geht voraus, der Baron, etwas gebückt, die Beine leicht nachziehend, hinterher.
    Frisch gepresster Orangensaft für die Dame und Dry Martini für den Herrn waren Pflicht. An diesem Zeremoniell hat sich über all die Jahre nichts geändert. Kein Alkohol für die Baronin; das in Hamburger Blau lackierte Auto sollte nach dem Essen von der Frau Gemahlin sicher nach Hause chauffiert werden. Eine Tasse Hummercreme und ein wenig gedünsteter Steinbutt war dem Ehepaar Berenberg-Gossler meist sehr angenehm. Oh, wie liebte ich diese fein dosierte, vornehme Zurückhaltung. Frei von jeder anbiedernden Kumpelhaftigkeit. Die Baronin von wohltuender Herzlichkeit, der Baron charismatisch-herb, eben ein Hamburger Bankier. Ein Lachen habe ich von ihm kaum einmal gesehen.
    Doch an ein angedeutetes Lächeln kann ich mich immerhin

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