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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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neuen Häuser,
    die verdammt sind zum Neubleiben.
    Obwohl Neubauten,
    können sie nicht alt werden.
    Die stehn noch
    picobello propper da,
    wenn die Erbauer
    schon welk und kalt werden.
    Ich, alternder Mensch,
    seh die neuen Häuser mit Mißfallen.
    Was sie nicht altern läßt,
    sind diese neuen Materialien.
    Sie haben die alten
    auch und gerade dort verdrängt,
    wo sie seit alters
    schön alt werden, in Italien.
    Neue Dachziegel,
    die niemals Moos ansetzen werden.
    Neue Fassadenfarben,
    die ums Verrecken nicht verbleichen.
    All die neuen Häuser,
    die uns alle überleben werden
    und nie jung waren,
    nur neu: totgeborene Leichen.
    Neueste Zeitung
Silvio Berlusconi betreffend
    (La Repubblica vom 15. September 2000)
    Silvio Berlusconi, so les ich,
    besitzt allein auf der Insel Sardinien
    sieben Villen. Ich les es und frag mich:
    Was fühlt der?
    Ich spüre Stolz, blick ich auf das Häuschen,
    das ich – mit welchen Mühen! – erneuert.
    Um wieviel stolzer blickt' ich auf die Villa,
    und die mal sieben.
    Doch spürt der noch Stolz, auf den sieben Villen
    bei Tag und bei Nacht demütig warten:
    Hoffentlich fällt die Wahl unsres Herrn
    diesmal auf mich–?
    Silvio Berlusconi und ich -
    leben wir zwei überhaupt auf derselben
    Erde, in derselben Zeit, mit
    denselben Gefühlen?
    So viele Fragen – und gar keine Antwort?
    Ja doch. Zu Silvio Berlusconis
    Gefühlen sprach unlängst ein Fachmann. Sein Name:
    Silvio Berlusconi.
    In Bari, les ich, habe ein Rentner
    dem Silvio Berlusconi auf offener
    Straße die Worte zugerufen,
    ich zitiere:
    Bin nur ein armer Mann, doch ich mag dich!
    Die Antwort Silvio Berlusconis:
    Ich bin ein reicher Mann, und doch
    mag ich dich auch.
    Hunde und Bilder
    Die Toskana ist voll von Hunden.
    Die Hunde sind voll von Gebelle.
    Es gibt in der ganzen Toskana keine
    halbwegs ruhige Stelle.
    Die Toskana ist voll von Bildern.
    Auf manchen finden sich Hunde.
    Die sind gemalt und schauen daher
    dankenswert stumm in die Runde.
    Die Toskana ist voll von Fremden.
    Wegen der Bilder, nicht wegen Tieren.
    Doch gehn Bilder manchmal am Arsch vorbei
    und die Hunde voll an die Nieren.
    Vita da Cani
    Den Hund hätte Ter Borch liebend gerne
    gemalt. Er hätte ihn einem Soldaten
    zu Füßen gelegt. Den Soldaten hätt' er
    in Glanz gehüllt und schimmernde Stoffe.
    Den Hund aber hätte er aus Ocker,
    aus Gebrannter Siena und Terra Pozzuoli,
    aus Umbra, Krapp und Grüner Erde böhmisch,
    bei Licht betrachtet: aus Dreck erschaffen.
    Aus Dreck, doch nicht dreckig. Er hätte den Hund
    so lange gehöht mit Kremser- und Zinkweiß,
    bis dem irdenen Dreck ein seidiges Fell,
    zum Anfassen schön, entwachsen wäre.
    Der Hund zu Füßen des Soldaten
    hätte gewußt, wohin er gehört.
    Und sei es als erdig-weißer Kontrast
    zum Glanz der Lokalfarben des Soldaten.
    Da es aber nicht so ist:
    Diesen Hund im Zwinger am Feldweg malt niemand.
    Jemand versorgt ihn, keiner betreut ihn,
    den Hund, dem es dreckig geht und den kein
    Soldat je erlösen wird und kein Maler.
    Zweimal am Tag leiste ich ihm Gesellschaft.
    Jedesmal kurz. Und jedesmal springt er,
    der Hund, hin und her, als zerreiße ihn Freude
    und Furcht vorm Wissen ums Ende der Freude.
    Nein, ich behaupte nicht, daß die Freude
    des Hundes mir gilt. Das Trockenfutter
    in meinen Taschen macht mich diesem Tiere
    angenehmer als alle Meriten:
    Daß ich vorm Hund an Ter Borch denke,
    daß ich ihm Mitleid entgegenbringe,
    daß ich ihn rufe, beschwöre, berede -
    alles nur Worte. Wie anders doch Gaben!
    Die mußt' ich erst werfen, nun holt er sie selber,
    der Hund, im begeisterten Hin und Her
    von Greifen, Verstecken, Verschlingen, Begehren:
    Kein Verlangen nach Mitleid, kein Gedanke an Ter Borch.
    Hund, wär ich Ter Borch, ich stände Stunden
    vor deinem Zwinger, dich rauszuholen
    aus all dem Dreck, und ich legte dich seidig
    dem glänzendsten aller Soldaten zu Füßen.
    Ich bin aber nicht Ter Borch.
    Katzenleben
    Katzen werden geboren
    Wachsen zu Katzen heran
    Schlüpfen in Katzenrollen
    Katzenfrau, Katzenmann
    Machen ihrerseits Katzen
    Kleine Katzen und viele
    Spielen als Katzenmutter
    Mit ihnen Katzenspiele
    Lehren sie Katzen zu werden
    Lassen sie Katzen sein
    Altern als Katzen und ziehen
    Am End in den Katzhimmel ein.
    Hin und weg
    Die Katze hat ihn hergebracht.
    Ich hab den Vogel hingemacht.
    Das ist zwar leicht dahergesagt,
    doch nicht so leicht dahingedacht:
    Hat Töten jemals Sinn gemacht?
    Fliegengedicht
    Für die Fliegen bin ich schon tot.
    Keine Gefahr

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