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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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zumindest.
    Sie kriechen mir ins Ohr und aufs Brot.
    In meinem Haus zumindest.
    Die Fliegen glauben sich Herren der Welt.
    Zumindest in meinem Haus.
    Sie fürchten nicht Teufel, nicht Tod, nicht mich.
    Zumindest sehn sie so aus.
    Die Fliegen all werden vor mir verderben.
    Wenn alles gutgeht zumindest.
    Ich werde ha! leben, und die werden sterben.
    Zumindest solang alles gutgeht.
    Resignative Reime
    Beginnen – beenden:
    Was liegt schon dran
    Das Sammeln der Schwalben
    wirst du nicht wenden.
    Besingen – betrauern:
    Ist alles eins
    Das Schwätzen der Schwalben
    wird dich überdauern.
    Besinnen – belachen:
    Das nimmt sich nichts
    Gegen den Abflug der Schwalben
    kannst du nichts machen.
    Sturmskizze
    Bewegter Abend. Fledermaus
    reißt wild ihr Zickzack in das Grau.
    Die Feige beugt sich. Weinblatt zerrt.
    Des Oleanders Schauer-Schau
    wirkt kindlich vor dem Scherenschnitt
    kopfschüttelnder Zypressen.
    Belebter Abend. Trockenblatt
    tickt seine Tonspur in die Nacht.
    Wein raschelt, Feige ratscht, es rauscht
    der Oleander. Doch mit Macht
    tönt über allem der Protest
    aufbrausender Zypressen.
    Die Lehre der letzten Hornisse
    Im Sommer hatten wir Respekt vor ihnen.
    Allabendlich wars Licht zu löschen,
    wenn vor dem Hause eine auftauchte:
    Hornissen machen viel mehr angst als Bienen.
    Novemberregen wusch die Eiche aus.
    Aus hohlem Stamme fiel ein Rest
    papiernen Nestes auf den Gehweg.
    Ich hob ihn auf und trug ihn vor das Haus.
    Dahin die Furcht. Nun ließ sich das betrachten,
    was sommers vor Gefährdung strotzte,
    der Waben schöner Sechseckbau:
    Was man nicht lieben kann, muß man doch achten.
    Zweistöckig war der Bau, da dünne Stützen
    die Wabenreihen sichtbar schieden.
    Einst alle voll, nun alle leer,
    mal abgesehn von schleimig schwarzen Pfützen.
    Ein Totenreich. Ich hob es in die Höhe.
    Da kriecht da was. Da surrt da was.
    Kriecht wie betäubt. Surrt wie gelähmt.
    Und sagt doch deutlich: Meide meine Nähe!
    Ein Warnsignal! Die letzte der Hornissen
    schürt im Vergehen letzte Furcht.
    Weckt im Betrachter alte Angst:
    Was ich da hielt – ich hab es hingeschmissen.
    Die siegte kampflos. Ich hab es vermieden,
    ihr nachzustelln. Als sie davonflog
    in trübes Grau, da sah ich klar:
    Nur was man fürchten muß, läßt man in Frieden.
    Sechster Dezember
    Das ist der Nebel, aus dem Zombies steigen.
    Heut ist der Tag der schattenlosen Schemen.
    Sie kommen aus dem blanken Nichts und nehmen
    all deine Lebenskraft. Die Blätter fallen.
    Noch schreist du: Nein! Bald wirst du geifernd lallen,
    nun Teil des Hungerzugs der Ungestalten,
    nicht festzustellen und nicht aufzuhalten,
    so weit der Nebel reicht. Die Vögel schweigen.

III
    Im Bild
    11. Januar 1998  – er fährt an der
Berliner Reichstagsbaustelle vorbei
    Sitz im Bus der Linie 100
    Oben, denn ich will was sehen
    Fällt mein Blick auf Rasenflächen
    Habitat der Nebelkrähen
    Trippeln stur durch all den Wandel
    All das Werden und Vergehen
    Ob die Kräne lichtwärts ragen
    Ob sie sich im Nebel drehen
    Schwarzen Kopfs und grauen Rückens
    Bleibt die Truppe niemals stehen
    So auch wir, die unbeirrbar
    Stur in jenen Nebel gehen
    Der sich Zukunft nennt. Hier soll der
    Hauptstadt neues Haupt entstehen
    Wird es dereinst helle handeln?
    Oder klamm im Nebel krähen?
    Amok
ODER
indonesisches Lied
    Dreizehntausend Inseln vom Südmeer umspült
    pohon pepaya tumbuh di tanah
    Von Sonne gewärmt und vom Seewind gekühlt
    pohon pepaya perluh tanah
    Lachendes Land unter ziehenden Wolken
    pohon nangka tumbuh di tanah
    Lächelndes Volk von Suharto gemolken
    pohon nangka perluh tanah
    Dreißig Jahre geschröpft und erschöpft
    pohon kelapa tumbuh di tanah
    Hat das Volk statt des Schröpfers Geschröpfte geköpft
    pohon kelapa perluh tanah.
    Er sieht die Tagesthemen
vom 24 . März 1999
    Scheiß drauf! Ob es auch anderen schwerfällt,
    beim Anblick der Stealthbomber cool zu bleiben?
    Ich frag ja nur, schau ja nur, denk ja nur: Scheiße!
    Was für ein ganz und gar mythischer Vogel!
    Ich bin gegen Krieg. Wie erst gegen Waffen!
    Doch dann am herrlich entflammten Himmel
    diese Tornados so scharf und so hinreißend,
    daß sich das regt: Wer da mitdüsen dürfte!
    Dann aber schaut Gabi Bauer so fragend:
    »Stimmts, daß ein deutscher Tornado vermißt wird?«
    Und sie verweist auf das »Nachtmagazin«. Ach
    Scheiße, wer da wohl mitdüsen mußte.
    Sonderermittler Starr liest seinen
Report betr. Präsident Clinton
    Den Mistkerl hab ich rangekriegt.
    Das Arschloch sieht kein Land

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