Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
mehr.
Außer, natürlich, beim Essen.
Aber zwischen den Mahlzeiten kann
ich alles Fleisch glatt vergessen.
Ich trinke so gut wie kein' Wein mehr.
Außer, natürlich, wenn's Spaß macht.
Und mir macht es eigentlich immer Spaß,
wenn der rote Wein in dem Glas lacht.
Ich habe so gut wie kein' Sex mehr.
Außer, natürlich, mit Frauen.
Auf der Basis Steak plus'ne Flasche Bordeaux
können die schwer auf mich bauen.
Ich kenne fast keine Scham mehr.
Außer, natürlich, beim Schreiben.
Bevor ich den Leser mit mir konfrontier,
lass ich das Schreiben glatt bleiben:
Die K-Gedichte
2004
I
Krankheit als Schangse
In memoriam Volker Kriegel
Diagnose Krebs
ODER
alles wird gut
Erst kam der berühmte
Schuß vor den Bug.
Zuvor war ich dumm,
hernach war ich klug.
Dann folgte der klassische
Schlag ins Kontor.
Darauf war ich klüger
als jemals zuvor.
Undenkbar, daß solch einem
blitzklugen Mann
noch irgendein Tod
etwas anhaben kann.
Nachdem er von seiner
Krankheit erfahren hatte
Als säh ich meinen Hund
zum letzten Mal,
blick ich dem Hund in seine
treuen Augen.
Als sähe mich mein Hund
zum ersten Mal,
blickt er zurück, als sucht er
Treu in meinen Augen.
Als gäbe es auf dieser Welt
kein letztes Mal,
blick ich dem Hund voll Treu
in seine Augen.
Als ginge es dem Hund
ums nächste Mahl,
fragt mich sein Blick: Mein Herr,
meint »Treu« nicht einfach »Fleischwurst«?
Seiltänzer
Ich ging auf einem Seil dahin
Mir schien es eine Straße
Mit frohem Mut und heitrem Sinn:
Ich bin auf guter Straße!
Was dann geschah? Ich weiß es nicht
Wuchs ich? Verging die Straße?
Die Jahre änderten die Sicht:
Doch reichlich eng, die Straße!
Auf schmalem Steg geht's nicht so gut
Ist der noch eine Straße?
Bei jedem Schritt sinkt mir der Mut:
Das ist doch keine Straße!
Ich geh auf einem Seil dahin
Das wird nie wieder Straße
Wirkt wie ein Faden licht und dünn:
Wann lieg ich auf der Nase?
Habenichts
Habe nichts gegen das Altern.
Wie sollte ich da etwas
gegen den Tod haben?
Hat ja auch sonst niemand etwas
gegen das Altern.
Hat ja auch sonst niemand etwas
gegen den Tod.
Alterten sie sonst alle?
Stürben sie sonst alle?
Da werde ich doch wohl keine
Ausnahme machen:
Habe gar nichts gegen das Altern.
Habe schon gar nichts gegen den Tod.
Die Woche davor
Am Donnerstag wird zugelangt
Am Freitag wird ums Heil gebangt
Am Samstag wird viel Wein getankt
Am Sonntag wird noch leicht geschwankt
Am Montag wird mit Gott gezankt
Am Dienstag wird dem Herrn gedankt, denn erst
am Mittwoch geht's unter das Messer.
Guter Rat
O Mensch, halt ein vorm Krankenhaus.
Gehn dem einmal die Kranken aus,
dann greift man auch auf dich zurück,
und du verbleibst dort Stück für Stück.
Das präludiert mit etwas Darm,
dann schneidet man sich langsam warm
an Leber, Venen und Arterien -
so'n Krankenhaus kennt keine Ferien.
Greift nach den Alten, nach den Jungen,
nach deren Mägen, deren Lungen,
nach deren Lymphen, deren Zellen,
nach offnen wie versteckten Stellen,
nach Herz und Brust, nach Hirn und Hoden,
und bringt dich das nicht unter'n Boden,
dann doch auf Null. Was folgt daraus?
Mensch, halt dich fern vom Krankenhaus!
Schneiden und Leiden
Einer sagt: Wir müssen schneiden.
Einer weiß: Ich muß jetzt leiden.
Einer sagt: Jetzt kommt der Schnitt.
Einer denkt: Da machst was mit.
Einer hat was rausgeschnitten.
Einer hat nicht ausgelitten.
Einer ist der Scheidende.
Einer ist der Leidende.
Einer war der Schneidende.
Einer bleibt der Leidende.
Schmerzbehandlung
Kein rasender Schmerz,
kein brennender.
Eher
ein schlendernder Schmerz,
ein glimmender.
Aber
ein Schmerz ist ein Schmerz
bleibt ein Schmerz.
Und weil,
was da schlendert,
auch rasen kann,
und weil,
was da glimmt,
auch zu brennen vermag,
deshalb
behandle das planlose
Schlendern des Schmerzes
sowie
seines Glimmens
zielloses Tun
voller
Vorsicht und Nachsicht,
Rücksicht und Einsicht,
so wie
du einen Vulkan
behandeln würdest,
ein Raubtier,
ein Kind.
Der Dämon de Patienten
Tagsüber erträgt er ihn.
In der Nacht zerschlägt er ihn.
Kurz und klein, in tausend Teile,
daß ihm auch nicht einer heile.
Kommt der Morgen, sieht er stumm
um den Nachtzerhau herum
und beginnt gleich nach dem Wecken
damit, ihn zurechtzustecken,
bis das Puzzle, und das reicht,
halbwegs dem Zerschlagnen gleicht.
Dieser spielt des Tags Patient,
einen, den man kennt und nennt,
dem man hilft und dem man rät,
wie's ihm
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