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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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mit Verbenen,
    Und lichte Frauen treten aus Remiseschatten,
    Und reichen hellen Wein, den sie gleich Pfauentränen
    Der Traube schierer Schönheit abgewonnen hatten.
    Dann schlendert man den Heckenweg zum See hinunter,
    Vom Klassenkampfe plaudernd und von bessren Tagen -
    Ich aber, noch im Stau, ein Spielball bunter
    Erlesner Hacksscher Bilder, hebe an zu klagen:
    Weh, daß ich Westler bin, ein Opfer der Geschichte,
    Dazu verdammt, mit der Toscana anzubandeln,
    Gegrillt von Hitze und gepfählt vom Lichte,
    Statt deutscher Bäume tiefe Schatten zu durchwandeln!
    Die aber sind Besitz betuchter Sozialisten.
    Daß Hacks dazugehört, ist freilich zu begrüßen:
    Dem dünkelhaftesten von Preußens Kommunisten
    Solln rote Sommer noch so manches Jahr versüßen.
    Ruhmesblatt
    Der eine rühmt Wald, Hain, Tal, Berg,
    Der andre rühmt die See.
    Der dritte rühmt Strand, Glanz, Luft, Blau,
    Der vierte rühmt den Schnee.
    Der fünfte rühmt Stadt, Land, Bach, Fluß,
    Der sechste rühmt das Dorf.
    Der siebte rühmt Marsch, Gest, Haff, Watt,
    Ich rühm Korf:
    Mal im Ernst, verehrter Peter,
    Du wirst Siebzig. Doch je später
    Deine Dichtung, desto dreister:
    In der Entschränkung erst zeigt sich der Meister.
    Genial
    »Heute schon genial gewesen?«
    Nun – das wäre nachzulesen.
    9 Uhr 20 liest man:
    ›Trockenes begießt man.‹
    Nicht so doll?
    10 Uhr 30 ward notiert:
    ›Der, der nicht gewinnt, verliert.‹
    Jammervoll?
    11 Uhr 40 steht geschrieben:
    ›Was man hasst, tut man nicht lieben.‹
    Flach? Jawoll. Aber:
    12 Uhr 50 kommt der Hammer:
    ›Such die Freude, flieh den Jammer.‹
    Wie? Ich soll
    das noch einmal überdenken?
    Danke, das kann ich mir schenken.
    Diese Feststellung, sie steht
    wie 'ne Eins. Genialität
    sprüht aus jedem ihrer Worte,
    drum zählt sie zu jener Sorte,
    die dem Dichter sagt: Verberge
    dich nicht im Gewühl der Zwerge–:
    Du zählst zu den Geistesriesen,
    denn du hast Genie bewiesen.
    Sternstunde der Sprachkritik
    - Ihr schreibt vom »unerhörten Blau«.
    Blau kann man doch nicht hören!
    - Welch uneinsichtige Kritik!
    - Verzeiht! Ich will nicht stören,
    doch »uneinsichtige Kritik« -
    das kann sich sehen lassen!
    Weil man Kritik nicht sehen kann.
    - Ja, ist das denn zu fassen?
    - Nein, weil Kritik unfaßbar ist.
    Geist läßt sich nicht erjagen!
    - Welch unbegreiflicher Sermon!
    - Jawohl! So kann man's sagen!
    Schreiben und Malen
    Alles Schreiben macht dumm.
    Schau dich doch bitte mal um.
    In den Büchern steckt der Beweis:
    jedes zweite ist scheiß.
    Nicht jedes zweite? Na bitte,
    dann eben jedes dritte.
    Alles Malen macht klug.
    Das lehrt ein Museumsbesuch.
    Die Bilder sprechen für sich:
    Ein jedes erleuchtet dich…
    Behauptungen, dumm wie die Nacht
    und alle geschrieben?
    Dann ist der Beweis erbracht,
    weil geschrieben geblieben:
    Alles Schreiben macht dumm etc.
    Finger weg!
    Poeten, die nicht zeichnen können,
    sollten's besser lassen.
    Das gilt für Günter Kunerten,
    das gilt für Günter Grassen.
    Das gilt für all die Kritzelnden,
    die zagen wie die forschen,
    für Friederiken Mayröckern
    als auch für Gerald Zschorschen.
    Ein Maler, der nicht zeichnen kann
    und 's tut, der sei verworfen.
    Das zielt auf Paule Wunderlich
    und Jörge Immendorfen.
    Auf Fettingen und Salomen,
    auf sie und ihre Sachen.
    Und eine, die 's noch schlimmer treibt.
    Sie heißt Elvira Bachen.
    Ein Essen deutscher Dichter
    Querüberntisch Durs Grünerbein
    nagt still an seinem Hühnerbein.
    Am Nebentisch Rühmkoffel
    bestellt Aal mit Kartoffel.
    Und Hans, der Enzensbargel,
    versucht sein Glück mit Spargel.
    Dagegen Oskar Bastimohr
    nimmt sich die dritte Süßspeis vor.
    Nur mit dem Peter Wasserhos
    ist essenmäßig nicht viel los.
    Er müsse leider dichten.
    Die Nachwelt wird ihm richten.
    Stammbuchverse
    Für die Studierenden
    Nur dem, der früh studieren tut,
    geht es im spätern Leben gut.
    Schaut euch doch die Karrieren an
    von Hannibal bis Dschingis Khan.
    Für die Dichter
    Wie tief muß ein Gedicht sein?
    Sein Radius wie weit?
    Wie hoch muß sein Niveau sein?
    Sein Verfasser wie breit?
    Für die Jugend
    Daß ein junges Glück entstehe,
    sucht Mann Frau, sucht Frau die Nähe.
    Aber ehe, ehe, ehe,
    wenn ich auf das Ende sehe!
    Ich ich ich
    1
    Uraltem Weistum folgend,
    schreit ich gesegneten Pfad -
    »Kann man heut noch so reden?«
    Natürlich. Ich tat es doch grad.
    2
    Freunde zeiht mich nicht der Stumpfheit!
    Stimmts nicht an, das alte Lied.
    Ihr nicht, die ihr doch der Sumpf seid,
    der mich in die

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