Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
erstarben
Im ganzen Lande Handeln, Streben, Hasten.
Gemeinsam ging das Riesenheer Getreuer
Für seinen König samstags durch das Feuer
Und fieberte in Stadien, vor dem Kasten.
Stark schien das Glück. Und mußte doch enteilen,
Seit schnöde Schiris, Geier unter Tauben,
Brutal auf Ehrlichkeit und Fairness pfiffen.
Aufklagend hat das Fußballvolk begriffen:
Land unter! Mit ihm Königstreu und Glauben.
Läßt Zeit den Schlag vernarben? Gar verheilen?
Wir Weltmeister
Ein Akrostichon-Sonett aus gegebenem Anlaß
Warum wir Deutschen die WM gewinnen?
Ist doch so klar wie Brühe voll von Klößen!
Rings staunt die Welt ob unsrer Fußballgrößen -
Wer nennt die Namen all? Mit wem beginnen?
Erlaßt es mir, die Spieler aufzuzählen!
Letztendlich gab sich keiner jemals Blößen,
Trotzt jeder sowohl Haken wie auch Ösen,
Macht es die Fülle schwer, die Besten auszuwählen.
Erspart mir diese Qual! Was sind schon Fakten?
Ich halte nichts davon, mit names zu droppen,
Säng' ich von einzelnen, ich müßte klügeln:
»Team« war schon immer Trumpf, wenn wir »es« packten.
Es wird's auch diesmal schaffen. Nicht zu stoppen,
Rauscht es von Spiel zu Spiel auf Siegers Flügeln.
Petrarcasonett
Ein Akrostichon
Petrarcagleich ist sie gestimmt. Der Leier
Erhebend Spiel soll laut von Lauren künden,
Traumbild der Nacht, um dann im Tag zu münden,
Rauschüberglänzt. Ein Nachhall jener Feier,
An deren Anfang jeder Braut ein Freier
Reseden schenkt, in die gleich frommen Sünden
Christrosenrot sich mischt, aus dessen Schlünden
Aroma bricht von Weihe und von Weiher.
So war 's geplant. Doch was taugt Dichters Streben
Ohn' allen Beistand hilfsbereiter Musen?
Nicht einen Heller. Nicht mal einen Groschen.
Es ging gut los. Und endet so daneben.
Tut mir echt leid. Ich mag nicht länger zusehn.
Troll mich davon. Und halt fortan die Goschen.
Venedichsonett
Ein Akrostichon
Ver niemals in Venedich ist gewesen,
Ei, der hat wirklich allerhand versäumt.
Nanu! denkt der, der dort war, ganz verträumt,
Ech habe vorher nie davon gelesen,
Daß diese Stadt von Wasser ist umschäumt,
Indem sie, nicht wie Harz und wie Vogesen,
Canz flach sich macht gleich einem blanken Tresen,
Horausgesetzt, man hat ihn aufgeräumt:
So plan ist auch das Wasser der Lagune
Ous dem die Stadt wie eine Göttin steigt.
Nicht möglich! Denkt entgeistert, wer sie sieht.
Er gleicht dem aufgeschreckten Wasserhuhne,
Tem sich am Horizonte etwas zeigt,
Tas es mit jeder Faser zu sich zieht.
Anhang
Anmerkungen des Autors
Vier Gedichte aus Schul- und Studienzeit – Alle Gedichte sind in diesem Rahmen zum ersten Mal veröffentlicht worden, und sehr viel mehr Gedichte haben sich, zumal aus der Zeit vor dem Studium, auch nicht erhalten. Nicht, daß ich sehr viel mehr geschrieben hätte: Da ich mich schon früh als Maler verstand, betätigte ich mich in jungen Jahren lediglich als Gelegenheitsdichter, der Anlässe belieferte bzw. auf Anstöße reagierte.
»Auf den Lateinlehrer Otto Kampe« entstand neben weiteren Gedichten auf weitere Lehrer und Klassenkameraden anläßlich eines Bunten Abends im Schullandheim der Göttinger Felix-Klein-Oberschule zu Eddigehausen. Die Zeile »ein Wüstenfuchs wie Scipio« bezieht sich auf Kampes Teilnahme am Afrika-Feldzug.
»Im Trakl-Ton (Herbst)« war so etwas wie ein veritabler Schülerstreich. Zum mündlichen Abitur hatte unser Deutschlehrer, der Oberstudienrat Adolf Kraus, uns, den Schülern der 13d, zur Aufgabe gemacht, ein Gedicht unserer Wahl auswendig zu lernen. Ich entschied mich für ein Gedicht des von mir sehr bewunderten Georg Trakl:
Im Winter
Der Acker leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.
Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten,
Und langsam steigt der graue Mond.
Ein Wild verblutet sanft am Rain
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
Frost, Rauch, ein Schritt am leeren Hain.
Mitten im Memorieren aber muß ich mich gefragt haben: Wer wird denn ein Gedicht auswendiglernen, wenn er selber eines zu dichten vermag? Daher beschloß ich, einen Trakl zu schreiben, mit allen Schikanen, dem trakl-typischen a-b-b-a ebenso wie mit einem ordentlichen Hauch von Verfall, und alles derart haarscharf an der Parodie entlangschrammend, daß der Schwindel nach menschlichem
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