Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
(›WimS‹) – Diese Beilage der satirischen Zeitschrift ›pardon‹ – sie wurde bereits im Vorwort zur Besternten Ernte erwähnt – diente uns, F. K. Waechter, F. W. Bernstein und mir, elf Jahre lang als Spielwiese und Experimentierfeld für alle möglichen Spielarten und Formen des Komischen, für Text und Cartoon, Gedicht und Comic. Die in dieser Abteilung versammelten Gedichte habe ich seinerzeit nicht für würdig befunden, in den Gedichtband Besternte Ernte aufgenommen zu werden. Was ich damals an ihnen auszusetzen hatte, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen: Mit der Zeit wird alles heil – nehmt getrost am uvre teil!
Gedichte aus Wörtersee – Der umfangreiche Gedichtband (320 Seiten) erschien 1981 bei Zweitausendeins. Noch einmal, das letztemal, stellt sich das Problem der Auswahl. Zwar steht bei dieser Sammlung der Verfasser eindeutig fest, doch wie die Besternte Ernte enthält auch der Wörtersee neben den hier versammelten Wortgedichten eine ganze Reihe von Bild- und Fotogedichten. Als Experimentierfeld hatte das ›ZEITmagazin‹ gedient, in welchem mir über Jahre die wöchentliche Rubrik »Hier spricht der Dichter« eingeräumt worden war. Aus diesem Fundus speiste sich auch der gleichnamige Bild-Gedichtband, der 1985 die Ära der sauber nach Bild und Wort geschiedenen Ausgaben einleitete: Körper in Cafés (1987) und Weiche Ziele (1994) enthielten im Gegenzug ausschließlich Wortgedichte.
Als der Wörtersee 1989 als Haffmans-Taschenbuch in den Buchhandel kam, konnte ich es mir nicht verkneifen, in einem Nachwort von den Nichtfolgen der Literatur zu berichten:
Kein Wörtchen für den Wörtersee
Im Oktober 1982 veröffentlichte der ›Buchreport‹ einen Beitrag von Franz Josef Görtz, in welchem er einen ernüchternden Blick auf die Buchproduktion des zurückliegenden Jahres wirft: »Nicht weniger als 8885 Novitäten aus dem Bereich der ›Schönen Literatur‹ verzeichnet die Statistik des Börsenvereins für 1981… Mag sein, daß in allen Zeitungen und Zeitschriften zusammen, im Funk und in den wenigen Augenblicken, die im Fernsehen für Literatur übrigbleiben, übers Jahr gerechnet 800 oder 900 davon vorgestellt und rezensiert werden, 10 % also, großzügig geschätzt.
Aber was ist, was geschieht mit den übrigen? Nichts. Weil es in den meisten Fällen nicht lohnt, ein Wörtchen daran zu verschwenden.«
Deutliche Worte, und zugleich ein Wort in eigener Sache: Görtz ist Rezensent, er weiß, wovon er spricht. Ich bin ein Autor. Was habe ich darauf zu erwidern?
Ein Buch, das 1981 veröffentlicht und von so gut wie keinem Medium und von fast gar keiner Kritik wahrgenommen wurde, ist das vorliegende. Ich jedenfalls habe nur eine einzige Rezension zu Gesicht bekommen, in der ›Süddeutschen Zeitung‹. Sie war kurz, freundlich und vom Jazzkritiker Werner Burckhardt. Kaum an die Öffentlichkeit gelangt, war der Wörtersee für die Medien bereits wieder gestorben und begraben. Kein Literaturkritiker hat ihn begleitet…
Wieso eigentlich nicht? 1981 war ich kein ganz Unbekannter mehr. Seit 1962 hatte ich regelmäßig in nicht allzu abseitigen Blättern veröffentlicht, in ›pardon‹, im ›ZEITmagazin‹, in ›Titanic‹. Ich hatte allein, mit Freunden und zusammen mit Almut Gernhardt bereits zehn Bücher in die Welt gesetzt, im Bärmeier und Nikel Verlag, im Insel Verlag und bei Zweitausendeins. Als ich das erstemal ein Exemplar des Wörtersees in Händen hielt, durchblätterte ich es hochgemut, ja fast hochmütig: Ein Gedichtband von 320 Seiten! In fünf Abteilungen! Mit drei Motti! Keine Wörterpfütze, wie die anämischen, kartonierten 80 Seiten, die sich normalerweise bereits Gedichtband nennen dürfen, auch kein Wörterteich vom Schlage poetischer Zwischenbilanzen und Sammelwerke, nein: ein veritabler Wörtersee, der dem Titel alle Ehre machte. Und zugleich eine Bilderflut! Mit Gedichten zu Postkarten, zu Fotos, zu eigenen Zeichnungen, ja sogar mit Grafiken, die als »Lied ohne Worte« dem Text entsagten und ganz auf die Musikalität der Linie setzten–: Welch eine Vielfalt der Tonfälle, der Einfälle, der Erzählweisen! Fast bedauerte ich den Rezensenten, der diesen Reichtum im notgedrungen begrenzten Raum eines Feuilletons würde ausbreiten müssen – wie einen See in Zeitungsspalten kanalisieren, wie diese medienübergreifende Flut im Literaturteil eindämmen? Fragen und Sorgen, mit welchen ich je länger desto mehr gänzlich allein dastand, da sich
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