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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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niemand vom Fach ihrer annehmen mochte. Nochmals: Wieso nicht?
    Ich habe offengestanden keine Antwort. Obwohl ich den Literaturbetrieb zu kennen glaube, obwohl ich hin und wieder weiß und häufiger ahne, welchen Weg die Dinge gehen, wieso X gut über Y schreibt und warum das Werk Z auf die Bestenliste gekommen ist – die Regeln, nach denen etwas nicht zur Kenntnis genommen wird, sind mir immer noch fremd und rätselhaft. Eine Verschwörung des Hochjubelns kann ich mir ohne Schwierigkeiten vorstellen. Doch eine Verschwörung des Verschweigens? Eigentlich zuviel der Ehre für ein Buch und im Falle des Wörtersee natürlich ganz und gar abwegig: Wer sollte denn ein Interesse daran haben, den nicht zu erwähnen? So wären also menschliche Uninteressiertheit, ja blankes Desinteresse der Grund dafür gewesen, daß nirgendwo vom Wörtersee die Rede war: »Weil es sich in den meisten Fällen nicht lohnt, ein Wörtchen daran zu verschwenden«–?
    Der so schrieb, Görtz, hat es dann in Sachen Wörtersee anders gehalten. Zwar wies er nicht in seiner Zeitung, der ›FAZ‹, auf den Gedichtband hin, doch er machte den weiland Literaturchef der Zeitung, Marcel Reich-Ranicki, auf ihn aufmerksam. Und auch der schrieb nach der Lektüre keine Rezension, jedoch einen Brief mit Datum des 27. Juli 1984:
    »Herr Gernhardt, ich wollte Ihnen schon vor längerer Zeit schreiben, und nie bin ich dazu gekommen. Dabei handelt es sich um eine überaus simple Angelegenheit, an der mir freilich sehr gelegen ist. Nämlich: Hätten Sie nicht Lust, mal ein Gedicht in der F.A.Z. zu publizieren? Sie mögen dieser bescheidenen und devoten Anfrage entnehmen« – woraufhin ich in den folgenden drei Jahren hin und wieder ausgesuchte Gedichte z.Hd. Reich-Ranicki schickte, welcher sie entweder einrückte oder, was sehr viel häufiger geschah, zurückschickte, stets jedoch vorbildlich rasch und nie ohne Begründung: Mal störten Namenswortspiele, mal fehlte in einer Zeile eine Hebung, mal hatte ich Worte in Klammern gesetzt, was nur ganz schlechte Humoristen tun würden. Worauf ich mich wortreich um den Nachweis bemühte, ebendies sei meine Absicht gewesen: guter schlechter Humor, was Reich-Ranicki jedoch nicht gelten lassen wollte – Humor sei entweder gut oder schlecht, guter schlechter Humor aber sei eine pure Schutzbehauptung jener, die nicht imstande seien, guten Humor zu produzieren – eine von beiden Seiten hart geführte Diskussion, die mich dennoch nicht davor bewahrte, daß ein offenbar arg abgefüllter Peter Hamm mir anläßlich eines Buchmesseempfangs im ›Orfeo‹ die Worte »FAZ-Dichter« hinterherrief, mit einer Stimme, darin sich Abscheu und Neid die Waage zu halten schienen…
    Ende gut, alles gut: Auch der Wörtersee bekam schließlich doch noch seine Kritik, da jemand die Zeit fand, nicht nur ein Wörtchen, sondern ganze Sätze an ihn zu verschwenden. Sätze, die zu den schönsten gehören, die ich jemals über eines meiner Bücher gelesen habe und die sich, bei Licht betrachtet, meiner Zerstreutheit, ja Schußligkeit verdanken: 1982 hatte der ›Spiegel‹ einen Aufsatz von mir veröffentlicht, einen längeren Hinweis auf Robert Crumb, und in dem hatte ich erwähnt, Gordian Troeller habe ein Crumb-Portrait für das deutsche Fernsehen angefertigt. Hatte der aber gar nicht, der wahre Autor hieß Georg Stefan Troller, und der rückte den Irrtum in wenigen freundlichen Zeilen zurecht, um dann fortzufahren: »Aber eigentlich wollte ich Ihnen schon lange zum ›Wörtersee‹ schreiben… Weil Sie mir nämlich den Glauben an die deutsche Sprache als Spielsprache wiedergeben, und ihr eine Art vorhitlerische Unschuld.«

    »Weil's so schön war« – drei Zweizeiler, die die Behauptung belegen, daß es die Dichtung ist, die Dichtung zeugt – manchmal auch gegen den Willen des Dichters.
    Als Kind, in weit zurückliegenden 50er Jahren, erfreuten mich Scherzgedichte, die so gingen:
    Jesus sprach zu seinen Jüngern:
    Wer keine Gabel hat, ißt mit den Fingern.
    Oder so:
    Paulus schrieb an die Korinther:
    Was nicht davor ist, ist dahinter.
    Als vermeintlich reifer Mensch unternahm ich in den späten 70ern den Versuch, diese, wie mir schien, mittlerweile doch recht rostige Witzschiene durch drei gezielte Zweizeiler in ein Abstellgleis zu verwandeln:
    Paulus schrieb an die Apatschen:
    Ihr sollt nicht nach der Predigt klatschen.
    Paulus schrieb an die Komantschen:
    Erst kommt die Taufe, dann das Plantschen.
    Paulus schrieb den Irokesen:
    Euch

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