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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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früh?
    Hier bei mir? Und bringen Sie
    auch das Fahrrad gleich mit her?
    Ich will anschließend ans Meer,
    und mein Moped streikt seit Tagen.
    Schönen Dank. Ach ja: Und sagen
    Sie mir bitte kurz Bescheid,
    falls es nicht klappt? Mir tät's leid.
    Mit freundlichem Gruß
    Ihr Erwin Sanders
    PS   Ich muß es tun. Es geht nicht anders.
    Robert Gernhardt an F. W. Bernstein
    Lieber Fritz,
    in fünfzig Jahren
    wirst Du im Detail erfahren,
    was in jener Nacht geschah,
    als ich in den Kühlschrank sah.
    Soviel nur sei jetzt verraten:
    Es war eine von den Taten,
    deren ich mich heute schäme,
    ja, ich bäte Gott, er nähme
    diese Schuld von mir, gäb's einen,
    doch es gibt ja leider keinen.
    Dafür, Fritz, gibt's mir zu denken,
    Dich vermehrt in Kneipen, Schenken,
    selbst in Piesen aufzuspüren -
    Fritz, wohin soll das noch führen?
    Fritz, sag nicht: Ich nasch' dort nur
    von dem Nektar der Natur -
    Fritz! Das Zeug ist Alkohol!
    Darum solltest Du jetzt wohl
    in gedrängter Form erfahren,
    was sie sind. Und was sie waren,
    jene Tränke.
    Fritz, bedenke:
    Solange es den Menschen gibt,
    hat der Mensch den Trunk geliebt.
    Doch wußte er sein Trinkverhalten
    höchst unterschiedlich zu gestalten.
    So gleichen manche Menschen Elchen,
    nippen flink an allen Kelchen,
    andre ähneln trägen Schwalben,
    sitzen stundenlang vorm Halben,
    wieder andre gleichen Staren,
    die sich um die Klaren scharen,
    jene sind beim Weine mäßig,
    diese saufen schweinemäßig -
    und vor all diesen Extremen
    heißt es, sich in acht zu nehmen.
    Fritz, es gibt zwar die Getränke,
    doch als Danaergeschenke
    stehen sie in unsren Schränken,
    darum bitt' ich zu bedenken:
    Wer nicht trinkt, wird abstinent,
    das sagt einer, der das kennt,
    was man leichthin »Leben« nennt.
    Fritz,
    das muß fürs erste reichen.
    Dir und allen Deinesgleichen
    ruf' ich zu: Macht weiter so,
    aber ändert euch! Dein Ro
    bert.
    PS   Du fragst nach dem Assessor.
    Mit dem Assessor geht's schon besser.
    Man hat ihm seinen Kopf entfernt,
    das hat den Strolch Respekt gelernt.
    Ja, Wolfi ist jetzt wieder lieb.
    Das heißt, das, was von Wolfi blieb.
    Und gerade sagt mir dieser Rest,
    daß er Dich herzlich grüßen läßt.
    Wer von den Fünfen bist du?
    Wie lange kann man sich selber betrügen -
    das ist die Frage.
    Beim einen dauert es lediglich Stunden,
    beim anderen Tage.
    Der dritte bringt es auf mehrere Wochen,
    der vierte auf Jahre.
    Der fünfte glaubt, in der Wiegen zu liegen,
    und liegt auf der Bahre.
    Erinnerung an eine Begegnung
in Duderstadt
    »Sie haben die Züge dessen,
    der viel gelitten hat«,
    sagte mir zögernd die Fremde
    im Bahnhof von Duderstadt.
    Ich blickte ihr in die Augen,
    sie waren so tief und so klug.
    Nur ungern gestand ich die Wahrheit:
    »Madame, mir gehört hier kein Zug.
    Die Züge, die Sie hier sehen,
    gehör'n einem anderen Mann.
    Sein Vorname lautet schlicht ›Bundes‹,
    sein Nachname aber heißt ›Bahn‹.«
    Wie schaute die Fremde so zweifelnd,
    wie nahte der Zug sich so rot,
    wie hob der Beamte die Kelle,
    stünd' ich noch mal an der Stelle,
    ich wünschte, er schlüge mich tot.
    Der Nachbar
    Alles ist eitel, eins aber stört:
    Der Nachbar, der mit schwerer Hand
    nach deinem Hörnchen greift,
    es anbeißt und dann liegenläßt,
    weil es, meint er, nicht schmeckt,
    der langsam kauend »Scheiße« schnauft
    und auf das Hörnchen zeigt,
    dann noch ein weitres Stück abbricht,
    das er sich in den Mund tut,
    der schmatzt und zu verstehen gibt,
    er ließe es zurückgehn,
    das Hörnchen, dessen Zipfel nun
    ganz krümlig auf dem Tisch liegt,
    der auch den Zipfel noch verspeist
    und sehr verärgert sagt:
    »Sie sitzen da und lassen mich
    hier die ganze Drecksarbeit tun.«
    Auf und zu und ab und an
    An die Damen
    Verehrt nicht jene schiechen Herren,
    die besser nicht geboren wären.
    Ich bin bei Gott noch mal so schön -
    ich bitte, zu mir aufzusehn.
    An die Herren
    Ach blickt nicht dauernd zu den Enten,
    die tun, als ob sie fliegen könnten.
    Das kann ich doch genauso schön -
    ich bitte, mir mal zuzusehn.
    An alle
    Ja, feiert nur auf euren Festen,
    doch zählt nicht mich zu euren Gästen.
    Mit mir ist es nur halb so schön -
    ich bitte, von mir abzusehn.

V
    Der Vorhut
    Wörtersee
    Gleißt auch des Lebens
    grelle Glut,
    tut auch sein Glanz den
    Augen weh -
    ich schreibe. Und die
    Bilderflut
    verströmt, verebbt im
    Wörtersee.
    Du da
    Du, komm mal her und hör mal zu.
    Du nicht, du nicht, du auch nicht -
    du!
    Hand aufs Herz und Ohr aufs Bein

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