Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
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möchtest du ein Spreizfuß sein?
Nein – sag nicht ja!
Bedenke erst,
ob du dadurch dein Glück vermehrst!
Ein Fuß ist Knecht -
wär dir das recht?
Dein Herr mag frieren oder heizen -
du mußt dich spreizen.
Er mag sich strecken oder hocken -
du steckst in Socken.
Um ihn herrscht Aufruhr oder Ruhe -
um dich sind Schuhe.
Dein Herr ist Opfer oder Täter -
auf dir, da steht er.
Willst du so leben?
Gut, dann tu's.
Gib mir die Hand -
sei fortan Fuß.
Was ist Kunst
Hab'n Sie was mit Kunst am Hut?
Gut.
Denn ich möchte Ihnen allen
etwas auf den Wecker fallen.
Kunst ist was?
Das:
Kunst, das meint vor allen Dingen
andren Menschen Freude bringen
und aus vollen Schöpferhänden
Spaß bereiten, Frohsinn spenden,
denn die Kunst ist eins und zwar
heiter. Und sonst gar nichts. Klar?
Ob das klar ist? Sie ist heiter!
Heiter und sonst gar nichts weiter!
Heiter ist sie! Wird es bald?
Heiter! Hab'n Sie das geschnallt?
Ja? Dann folgt das Resümee;
bitte sehr:
Obenstehendes ist zwar
alles Lüge, gar nicht wahr,
und ich meinte es auch bloß
irgendwie als Denkanstoß -
aber wenn es jemand glaubt:
ist erlaubt.
Mag ja sein, daß wer das mag.
Guten Tag.
Indianergedicht
Als aber der Pferdehändler nicht abließ, auf Winnetou einzuteufeln, bemerkte dieser in seiner ein silbigen Art:
Mann, dein Pferd
ist nichts wert.
Hier: Das Bein
ist zu klein.
Dort: Das Ohr
steht nicht vor.
Da: Der Gaul
hat kein Maul.
Schau: Der Schwanz
fehlt ihm ganz.
Und es trabt
nicht so recht,
denn das Pferd
ist ein – Specht!
Du viel dumm,
ich viel klug.
Hugh!
Samstagabendfieber
Wenn mit großen Feuerwerken
Bürger froh das Dunkel feiern,
sich an Bier und Fleischwurst stärken
und in die Rabatten reihern,
Wenn sie in den Handschuhfächern
kundig nach Kondomen tasten,
und die breiten Autos blechern
strahlend ineinanderhasten,
Wenn in Häusern bunte Schatten
herrlich aufeinander schießen,
sich verprügeln, sich begatten,
bis die letzten Kinos schließen,
Wenn dann in zu lauten Räumen
viele Menschen sich bewegen
und beim Lärmen davon träumen,
stumm einander flachzulegen,
Wenn am Ende Franz und Frieda
glücklich in der Falle liegen–:
Wer gedenkt dann jener, die da
noch eins in die Fresse kriegen?
Erzählung
Über dem Kragen der Nacken,
über dem Nacken das Haar,
über den Haaren ein seltsames Tier -
ein Kondor? Oder ein Aar?
Ein Habicht? Oder ein Sperber?
Ein Waldkauz? Oder ein Star?
Ach, ich hab völlig vergessen,
was für ein Vogel das war.
Ich weiß nur, darunter warn Haare,
und ein Nacken war unter dem Haar,
und unter dem Nacken ein Kragen,
und unter dem Kragen, da – Fahr
nicht so schnell, Erwin!
Wie soll man sich denn da
konzentrieren können!
Was ist spannend?
Duett zwischen mir und dem Chor der Speichellecker
ICH
Ist es spannend, fernzusehn?
CHOR DER SPEICHELLECKER
Nein, das ist nicht spannend
ICH
Oder Gott, den Herrn, zu sehn?
CHOR DER SPEICHELLECKER
Nein, das ist überhaupt nicht spannend
ICH
Ist es spannend, wenn wer zeigt
CHOR DER SPEICHELLECKER
Das ist doch nicht spannend
ICH
Wie man eine Frau besteigt?
CHOR DER SPEICHELLECKER
Das ist nie und nimmer spannend
ICH
Ist es spannend, wenn bei Nacht
CHOR DER SPEICHELLECKER
Wie denn? Das und spannend?
ICH
Jemand Lehm zu Rotgold macht?
CHOR DER SPEICHELLECKER
Was immer das sein mag, spannend ist es unter
gar keinen Umständen
ICH
Ist es spannend, zu erfahr'n
CHOR DER SPEICHELLECKER
Iiii, das ist ja zum Einschlafen!
ICH
Wer die ersten Menschen war'n?
CHOR DER SPEICHELLECKER
Gleich sterben wir aber vor Langeweile!
ICH
Ist es spannend, wenn ich sag'
CHOR DER SPEICHELLECKER
Langsam wird es spannend
ICH
Daß ich keinen Brusttee mag?
CHOR DER SPEICHELLECKER
Holla! Das klingt spannend!
ICH
Oder wenn ich offenbar'
CHOR DER SPEICHELLECKER
Das ist aber nun mal wirklich spannend!
ICH
Daß ich schon in Goslar war?
CHOR DER SPEICHELLECKER
Ja ist denn das die Möglichkeit? Erzählt uns
mehr davon! Rasch!
ICH
Ist es spannend, wenn ihr hört
CHOR DER SPEICHELLECKER
Was denn? Oh, so redet!
ICH
Daß mich euer Beifall stört?
CHOR DER SPEICHELLECKER
Herr! Nur der, dem jedet
Jefühl für Spannung aba auch
völlich abhanden jekommen ist,
könnte Eure Worte nich als det
Nonplusultra des Nervenkitzels empfinden!
Nichtzutreffendes bitte
streichen
Der bleiche Deichgraf war erst sechzehn Jahre alt.
Sein Auge schaute trüb und/oder kalt.
Ihm war so traurig.
Da trat
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