Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
frühen Tagen,
ein Märchen, das mich meine Mutter lehrte.
Von einem Ritter wußte sie zu sagen,
der ausgezogen sei mit weißem Wappen,
bereit, fürs Gute ständig sich zu schlagen.
Alleine, ohne Freundesschar und Knappen,
mit Pferd und Schwert nur sei er fortgeritten,
erzählte sie in zahllosen Etappen.
Denn jeden Abend hub ich an zu bitten,
daß sie mir mehr von jenem Held berichte,
davon, wie er gelebt, wie er gestritten.
So spann sie jeden Abend die Geschichte
so lange weiter, bis ich schläfrig fragte:
»Wer ist der Weiße Ritter?« In dem Lichte
Der kleinen Lampe auf dem Nachttisch sagte
mir meine Mutter: »Du.« Vor meinem müden
Aug' stand mein Schwert, das blank gen Himmel ragte.
Nun sah ich's wieder, auf dem Weg nach Süden.
Drei Gedichte zur Kunst
1
Nur wenigen ist es bestimmt, zu malen,
Die große Menge ist verdammt zum Schreiben,
Das mag sie tun und mit Romanen prahlen,
Der wahre Künstler wird bei Stift und Pinsel bleiben.
Sollt' er auch dann und wann die Feder führen,
Sein innerstes Gesetz wird ihn zur Leinwand treiben.
Denn schmerzlich läßt ihn jede Fläche spüren,
Daß sie nach Bildern ruft und nicht nach Worten.
Wort meint auch Laut. Erst durch der Bilder Türen
Gelangt man in den magisch hellen Orden,
Wo alles schweigt, weil alles Form geworden.
2
Sie scheint einfach, jeder glaubt, sie zu verstehen.
»Der Arm ist zu lang, das sieht man doch.«
Die Malerei kann man sehen.
Sie äußert sich sinnlich. Selbst zu den geistlichsten Themen.
»Das da oben ist Gott. Und das darunter das Jüngste Gericht.«
Gemaltes kann man leicht zur Kenntnis nehmen.
Sie spricht bildhaft. Du kannst das Gespräch rasch beenden.
»Den Rubens-Saal schenken wir uns, was?«
Gemälden kann man den Rücken zuwenden.
Sie stellt fest. Doch sie stellt keine Fragen.
»Ach, so sah es in Delft zur Zeit Vermeers aus!«
Bilder können nicht Ich sagen.
Sie redet vor allem von Dauer. Und das, ohne dauernd zu stören.
»Das Bild ist von 1893. Es heißt ›Der Schrei‹.«
Die Malerei kann man nicht hören.
3
Ich habe stets auf die Karte
»Machen« gesetzt.
Und nun mache ich nichts.
Ja, was mache ich jetzt?
Gaaanz ruhig!
Ich schreibe ja noch,
ich kritzle ja noch,
ich treibe ja noch,
ich witzle ja noch -
das tu ich.
Ich habe ja noch ein
Geräusch im Ohr,
so ein Brummen.
Und solange ich dem
noch Ausdruck verleih,
diesem Brummen im Ohr,
was immer es sei,
bin ich immer noch stramm
nicht ganz im,
nur knapp am
Verstummen.
Körper in Cafés
1987
I
Körper
Liebesgedicht
Kröten sitzen gern vor Mauern,
wo sie auf die Falter lauern.
Falter sitzen gern an Wänden,
wo sie dann in Kröten enden.
So du, so ich, so wir.
Nur – wer ist welches Tier?
Ermunterung
Hallo, süße Kleine,
komm mit mir ins Reine!
Hier im Reinen ist es schön,
viel schöner, als im Schmutz zu stehn.
Hier gibt es lauter reine Sachen,
die können wir jetzt schmutzig machen.
Schmutz kann man nicht beschmutzen,
laß uns die Reinheit nutzen,
Sie derart zu verdrecken,
das Bettchen und die Decken,
Die Laken und die Kissen,
daß alle Leute wissen:
Wir haben alles vollgesaut
und sind jetzt Bräutigam und Braut.
Zwei Tische weiter
Wer ist der Herr,
der rund und satt
da diese schöne
Dame hat?
Ich kann ihn nur
von hinten sehn.
Dem tut die schöne
Dame schön?
Sein Haar so grau,
sein Leib so dick -
die Dame wendet
keinen Blick.
Sie schaut ihn
innig an und lacht.
Ich frage mich, wie
der das macht.
Der Blick der Dame
hängt am Herrn,
der Herr da drüben
wär ich gern.
So dick wie er
und so ergraut,
so oh! belacht,
so ach! beschaut.
Schöne Fraun
Schöne Fraun, die haben immer recht.
Sie mögen zwar böse sein, doch sie sind nie schlecht.
(Schöne Fraun und schlecht -
das wäre ja noch schöner!)
Schöne Fraun, die tun nicht immer gut.
Jedoch allein ihr Anblick! Wie gut der tut!
(Es gibt nichts Schöneres
als den Anblick schöner Fraun!)
Schöne Fraun, die sind das Schönste auf der Welt.
Und wir Männer sind der Mond, der den Hund anbellt.
(Daß sie uns auch noch den allerletzten Rest Verstand
rauben, das ist das Allerschönste an schönen Fraun!)
Schöne Fraun! Wer möchte sie nicht immer sehn!
Doch bleiben schöne Fraun gottlob nicht immer schön.
(Dann wird man endlich auch drei, vier Worte über
den Charakter dieser Biester verlieren können.
Bis dahin aber heißt es:)
Schöne Fraun etc.
Als sich die Party auflöste
Arr ju launsam tuneit?
Yes, I'm
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