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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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frühen Tagen,
    ein Märchen, das mich meine Mutter lehrte.
    Von einem Ritter wußte sie zu sagen,
    der ausgezogen sei mit weißem Wappen,
    bereit, fürs Gute ständig sich zu schlagen.
    Alleine, ohne Freundesschar und Knappen,
    mit Pferd und Schwert nur sei er fortgeritten,
    erzählte sie in zahllosen Etappen.
    Denn jeden Abend hub ich an zu bitten,
    daß sie mir mehr von jenem Held berichte,
    davon, wie er gelebt, wie er gestritten.
    So spann sie jeden Abend die Geschichte
    so lange weiter, bis ich schläfrig fragte:
    »Wer ist der Weiße Ritter?« In dem Lichte
    Der kleinen Lampe auf dem Nachttisch sagte
    mir meine Mutter: »Du.« Vor meinem müden
    Aug' stand mein Schwert, das blank gen Himmel ragte.
    Nun sah ich's wieder, auf dem Weg nach Süden.

Drei Gedichte zur Kunst
    1
    Nur wenigen ist es bestimmt, zu malen,
    Die große Menge ist verdammt zum Schreiben,
    Das mag sie tun und mit Romanen prahlen,
    Der wahre Künstler wird bei Stift und Pinsel bleiben.
    Sollt' er auch dann und wann die Feder führen,
    Sein innerstes Gesetz wird ihn zur Leinwand treiben.
    Denn schmerzlich läßt ihn jede Fläche spüren,
    Daß sie nach Bildern ruft und nicht nach Worten.
    Wort meint auch Laut. Erst durch der Bilder Türen
    Gelangt man in den magisch hellen Orden,
    Wo alles schweigt, weil alles Form geworden.
    2
    Sie scheint einfach, jeder glaubt, sie zu verstehen.
    »Der Arm ist zu lang, das sieht man doch.«
    Die Malerei kann man sehen.
    Sie äußert sich sinnlich. Selbst zu den geistlichsten Themen.
    »Das da oben ist Gott. Und das darunter das Jüngste Gericht.«
    Gemaltes kann man leicht zur Kenntnis nehmen.
    Sie spricht bildhaft. Du kannst das Gespräch rasch beenden.
    »Den Rubens-Saal schenken wir uns, was?«
    Gemälden kann man den Rücken zuwenden.
    Sie stellt fest. Doch sie stellt keine Fragen.
    »Ach, so sah es in Delft zur Zeit Vermeers aus!«
    Bilder können nicht Ich sagen.
    Sie redet vor allem von Dauer. Und das, ohne dauernd zu stören.
    »Das Bild ist von 1893. Es heißt ›Der Schrei‹.«
    Die Malerei kann man nicht hören.
    3
    Ich habe stets auf die Karte
    »Machen« gesetzt.
    Und nun mache ich nichts.
    Ja, was mache ich jetzt?
    Gaaanz ruhig!
    Ich schreibe ja noch,
    ich kritzle ja noch,
    ich treibe ja noch,
    ich witzle ja noch -
    das tu ich.
    Ich habe ja noch ein
    Geräusch im Ohr,
    so ein Brummen.
    Und solange ich dem
    noch Ausdruck verleih,
    diesem Brummen im Ohr,
    was immer es sei,
    bin ich immer noch stramm
    nicht ganz im,
    nur knapp am
    Verstummen.

Körper in Cafés
    1987
    I
    Körper
    Liebesgedicht
    Kröten sitzen gern vor Mauern,
    wo sie auf die Falter lauern.
    Falter sitzen gern an Wänden,
    wo sie dann in Kröten enden.
    So du, so ich, so wir.
    Nur – wer ist welches Tier?
    Ermunterung
    Hallo, süße Kleine,
    komm mit mir ins Reine!
    Hier im Reinen ist es schön,
    viel schöner, als im Schmutz zu stehn.
    Hier gibt es lauter reine Sachen,
    die können wir jetzt schmutzig machen.
    Schmutz kann man nicht beschmutzen,
    laß uns die Reinheit nutzen,
    Sie derart zu verdrecken,
    das Bettchen und die Decken,
    Die Laken und die Kissen,
    daß alle Leute wissen:
    Wir haben alles vollgesaut
    und sind jetzt Bräutigam und Braut.
    Zwei Tische weiter
    Wer ist der Herr,
    der rund und satt
    da diese schöne
    Dame hat?
    Ich kann ihn nur
    von hinten sehn.
    Dem tut die schöne
    Dame schön?
    Sein Haar so grau,
    sein Leib so dick -
    die Dame wendet
    keinen Blick.
    Sie schaut ihn
    innig an und lacht.
    Ich frage mich, wie
    der das macht.
    Der Blick der Dame
    hängt am Herrn,
    der Herr da drüben
    wär ich gern.
    So dick wie er
    und so ergraut,
    so oh! belacht,
    so ach! beschaut.
    Schöne Fraun
    Schöne Fraun, die haben immer recht.
    Sie mögen zwar böse sein, doch sie sind nie schlecht.
    (Schöne Fraun und schlecht -
    das wäre ja noch schöner!)
    Schöne Fraun, die tun nicht immer gut.
    Jedoch allein ihr Anblick! Wie gut der tut!
    (Es gibt nichts Schöneres
    als den Anblick schöner Fraun!)
    Schöne Fraun, die sind das Schönste auf der Welt.
    Und wir Männer sind der Mond, der den Hund anbellt.
    (Daß sie uns auch noch den allerletzten Rest Verstand
    rauben, das ist das Allerschönste an schönen Fraun!)
    Schöne Fraun! Wer möchte sie nicht immer sehn!
    Doch bleiben schöne Fraun gottlob nicht immer schön.
    (Dann wird man endlich auch drei, vier Worte über
    den Charakter dieser Biester verlieren können.
    Bis dahin aber heißt es:)
    Schöne Fraun etc.
    Als sich die Party auflöste
    Arr ju launsam tuneit?
    Yes, I'm

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