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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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Gott als Mörder enttarnt.
    So
    So, an die Wand gestellt des Lebens,
    wartest du auf den Fangschuß des Todes,
    Tag für Tag hoffend, der werde nie fallen,
    Jahr für Jahr drängend auf Stundung und Aufschub:
    Nicht jetzt im Januar, einmal noch Schnee sehn.
    Nicht jetzt im Februar, einmal noch Frost spürn.
    Nicht jetzt im März, noch einmal das Tauen.
    Nicht im April, noch einmal der Erde
    Geruch und das Versprechen der Blüten:
    Nicht jetzt im Mai. Und nicht jetzt im Juni.
    Einmal noch helle Nächte und mittags
    einmal noch schwimmen: Nicht jetzt im Juli.
    Nicht im August, noch einmal die Kühle
    verdunkelter Räume. Nicht im September,
    einmal noch Früchte sonnenwarm pflücken
    aus raschelnden Bäumen, noch einmal durchweht
    von würzigem Südwind: Nicht jetzt im September.
    Nicht im Oktober: Einmal noch wandern.
    Nicht im November: Einmal noch trauern.
    Einmal noch feiern: Nicht im Dezember.
    Und nicht jetzt im Winter, nicht jetzt im Frühjahr,
    nicht jetzt im Sommer, nicht jetzt im Herbst:
    So, all die Jahre den Tod beschwörend,
    nimmst du nicht wahr, wie die Wand des Lebens
    Tag für Tag schwindet. Dahinter der Abgrund
    läßt dich nicht schaudern. Du hast ja nur Augen
    für den, der nun abwinkt: »Gut, laßt ihn laufen!«
    Erleichtert wendest du dich zum Gehen.
    Ritter, Tod und Teufel
    1
    »Zeige deine Wunde!«
    »Bitte. Hier die Kratzer,
    hier die Schnitte,
    hier die Narben.«
    »Danke, Ritter.«
    »Bitte. Nichts zu danken, Schnitter.«
    2
    Ja der Tod, ja der Tod,
    der hat immer recht,
    darum, Lebende, bleibt es dabei:
    Wer den Schnitter verteufelt,
    der ist dumm oder schlecht
    und ein Gegner der Gleichmacherei.
    3
    Lieber Teufel, sei nicht bös,
    ab heute werd ich religiös,
    man kann nicht immer lästern.
    Zur Abwechslung wird Gott gelobt
    und Dank für seine Gnad geprobt:
    Das Lästern ist von gestern.
    Das Dunkel
    Menschen kleiden sich gern bunt,
    das hat einen dunklen Grund.
    Menschen zeigen sich gern nackt -
    Dunkelheit in Haut verpackt.
    Ob im Mann, ob im Weib,
    Dunkel herrscht in jedem Leib.
    Auch trifft zu, daß Greis und Kind
    innen völlig dunkel sind.
    Hinter jedem roten Mund
    öffnet sich ein dunkler Schlund.
    Meerrettich und Brot und Wein
    läßt der Schlund ins Dunkel ein,
    Rein in Magen, Blase, Darm,
    alle dunkel, aber warm.
    Wein und Brot und Meerrettich
    wandern durch ein dunkles Ich.
    Auf dem Weg vom Ich zum Du
    freilich geht's noch dunkler zu.
    Dunkel lockt der Zeugungstrieb:
    Laß mich ein. Hab mich lieb.
    Dunkel bleibt auch, ob es frommt,
    daß da das zusammenkommt:
    Same sah nie Tageslicht,
    Ei warf niemals Schatten nicht.
    Klar ist nur, daß es das Glied
    gradewegs ins Dunkel zieht,
    Und daß es ein Spalt empfängt,
    den es dunkel zu ihm drängt.
    Dunkel ist, was sich dann tut,
    Dunkel herrscht, wenn alles ruht,
    Doch im Schoß der dunklen Nacht
    regt sich dunkel der Verdacht,
    Alles Licht sei eitel Schein
    auf dem Weg ins Dunkelsein.
    Der letzte Gast
    Im Schatten der von mir gepflanzten Pinien
    will ich den letzten Gast, den Tod, erwarten:
    »Komm, tritt getrost in den betagten Garten,
    ich kann es nur begrüßen, daß die Linien
    sich unser beider Wege endlich schneiden.
    Das Leben spielte mit gezinkten Karten.
    Ein solcher Gegner lehrte selbst die Harten:
    Erleben, das meint eigentlich Erleiden.«
    Da sprach der Tod: »Ich wollt' mich grad entfernen.
    Du schienst so glücklich unter deinen Bäumen,
    daß ich mir dachte: Laß ihn weiterleben.
    Sonst nehm ich nur. Dem will ich etwas geben.
    Dein Jammern riß mich jäh aus meinen Träumen.
    Nun sollst du das Ersterben kennenlernen.«
    Ach
    Ach, noch in der letzten Stunde
    werde ich verbindlich sein.
    Klopft der Tod an meine Türe,
    rufe ich geschwind: Herein!
    Woran soll es gehn? Ans Sterben?
    Hab ich zwar noch nie gemacht,
    doch wir werd'n das Kind schon schaukeln -
    na, das wäre ja gelacht!
    Interessant so eine Sanduhr!
    Ja, die halt ich gern mal fest.
    Ach – und das ist Ihre Sense?
    Und die gibt mir dann den Rest?
    Wohin soll ich mich jetzt wenden?
    Links? Von Ihnen aus gesehn?
    Ach, von mir aus! Bis zur Grube?
    Und wie soll es weitergehn?
    Ja, die Uhr ist abgelaufen.
    Wollen Sie die jetzt zurück?
    Gibt's die irgendwo zu kaufen?
    Ein so ausgefall'nes Stück
    Findet man nicht alle Tage,
    womit ich nur sagen will
    - ach! Ich soll hier nichts mehr sagen?
    Geht in Ordnung! Bin schon

IX
    herzlich
In memoriam Wolf D. Rogosky
    Herz in Not
Tagebuch eines Eingriffs
in einhundert Eintragungen
    I Prä-Op
    Vorgeschichte: Am Fuß der

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