Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Gerettet?
Im Lotto gewonnen?
Schwester Theresa
schwenkt jubelnd ein Schriftstück:
»Freitag um neun in Bad Nauheim!«
Nuklearmedizinisches Institut: Fototermin
Du findest es ätzend,
so lange zu liegen,
im Ohr FFH
und vor Augen die Zimmerdecke?
Nimm dir ein Beispiel
am stoischen Gleichmut
der dich langsam umrundenden Gamma-Kamera.
Nuklearmedizinisches Institut: Trouble für die MTA
»Was läuft denn da ab?
Ich krieg langsam die Krise!
Das Bild ist gespiegelt -
ich werde noch mal die
vier Punkte machen müssen!«
Und ich wollte grade
ein wenig Vertrauen in die Gerätemedizin fassen.
Nuklearmedizinisches Institut:
Zweierlei Bildschmuck
Auf dem Bildschirm erblühn
blau-rote Blüten.
Ein Knopfdruck verwandelt
sie in grün-gelbe.
Wie farbig die Strahlung
in meinem Herzen!
Wie blaß daneben Edvard Munchs Mohnblumenaquarell!
Doktor und Dichter
»Todesangst -
Sie werden sie spüren.
Spätestens postoperativ«,
sagt der Doktor zum Dichter.
Der speichert die Worte
in der herzigen Hoffnung,
das Wort sei auch diesmal schon die Sache.
Nachtarbeit
Im Bett der Dichter
sucht dringend ein Beiwort:
vokalreich, zweisilbig,
Synonym für »bedrückend«.
Schon blickt er zur Nachtglocke,
da bremst ihn der Umstand,
daß die Nachtschwester leider Koreanerin ist.
Woran ich glaube
Nachtschwester Regina,
Koreanerin, glaubt an Gott.
Zu den Tabletten
legt sie gern Traktate,
in denen ihr Gott
Leid nicht stillt, sondern abgreift.
Da glaub ich doch lieber an Nachtschwester Regina!
Er hört HR 3
»Who needs a heart
when a heart can be broken« -
Ach, Tina Turner,
da fragst du noch, Herzchen?
Um mit sechzig noch mal
auf Tournee gehn zu können,
ist so 'n zerbrechliches Ding doch ganz brauchbar!
Er schämt sich
Eigentlich peinlich,
diese Erkrankung.
Dem Herz eines Bankers
mag die ja entsprechen.
Doch das Herz eines Dichters
schmerzt beim Befund,
es leide an der »Managerkrankheit«.
Er ärgert sich beim Lesen eines Handbuchs
»Aus psychologischer Sicht
ist die koronare Herzkrankheit
oft auch Ausdruck
für vorangegangene
seelische Engpässe«,
schreibt Dipl. psych. Petra Heisterkamp,
der ein intellektueller Bypass guttun würde.
7.6. In der Anmeldung der Kerckhoff-Klinik,
Bad Nauheim
»Ein Einzelzimmer?
Mal sehn, ob eins frei ist.
Das hängt immer ab
von dem, was hier anfällt.
Den Vortritt haben
Transplant-Patienten.«
Und ich bin ja nur ein Bypass.
Wandschmuck in der Station HC 6
Was solln diese Drucke?
An den Wänden Kandinskis!
Einer verblasener
als der andre!
Dieser hirnlose Dreck
macht mich rasend: »Schwester!
Mei Nerve! Mei Troppe! Mei Herz!«
Erkenne die Lage
Hier kommst du als Prä-Op
und gehst als Post-Op.
Hier bist du noch Prä-Op
oder schon Post-Op.
Hier lauschen die Prä-Ops
gebannt den Post-Ops:
Die haben alle den OP hinter sich.
Im Atrium der Kerckhoff-Klinik
Zwei Post-Ops entblößen
stolz ihre Beine:
»Ist das eine Narbe?«
»Und erstmal meine!«
Sie sind voller Lob
für das Haus und sich selber:
»Hier wirst du nur operiert, wenn du topfit bist!«
Von Labor zu Labor
Willkommen bei Vampirs!
Hier blutsaugt nun jede.
Die sticht in den Finger,
die zapft aus dem Ohrlapp,
die piekt in den Arm,
und die hofft aufs Bein:
»Da nimmt man doch gern eine Vene raus!«
Selbstmordkommando
»Hier«, der Professor
malt einen Kringel,
»und hier«, er umkreist
ein andres Gefäß,
»hier ticken zwei Zeitbomben.«
Komplizenhaft nickt ihr
beiden: Du, Attentäter und Opfer.
Der Anästhesist stellt sich eine Frage
»Ich frage mich manchmal,
ob sensible Menschen
nicht trotz der Narkose
den Herzstillstand wahrnehmen
oder später erinnern,
Künstler zum Beispiel« -
»Ich werd mal die Augen offenhalten, Herr Doktor!«
Fritz, Freund und Augur
Hörte am Morgen
den Ruf des Grünspechts.
Sah am Mittag
den Flug des Grünspechts.
Erzählte am Abend
Freund Fritz vom Grünspecht:
»Seit alters der Vorbote der Nachtschwester, Robert!«
9.6. Vortag: Ganzrasur
»Ich soll Sie rasieren.«
Schon fallen die Haare
der Beine, der Leisten,
der Arme, der Achseln,
der Brust. Erleichtert
konstatierst du: Den Nacken
rasiert er dir nicht aus, dein Scherge.
Vortag: Prognosen
Morgen um die Zeit
bin ich schon geöffnet.
Morgen um die Zeit
bin ich schon verarztet.
Morgen um die Zeit -
denke ich da schon
erleichtert an gestern um die Zeit?
Vortag: Merkzettel für den OP
»Bitte nicht mitbringen:
Geld, Schmuck,
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