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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Andrack
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Wanderer waren wohl nicht zufrieden gewesen, oder gab es einen speziellen Hass auf blaue Schirme?
    Im »Gasthof am Rennsteig« in Spechtsbrunn bestellte ich auf die geschafften 40 Kilometer ein Rennsteig-Gedeck. Heißer Tee und Hefeweizen, das eine zum Aufwärmen, das andere als Schmerzmittel. Gerade recht kam mir die Frage von fünf Holländern am Nebentisch, die auch eine Runst machten, |393| wie viel ich heute schon gewandert wäre. Ich erntete bewundernde Blicke, und dann musste ich doch noch nachschieben, dass ich unbedingt vorhätte, noch weitere elf Kilometer zu gehen. Der holländische Tisch bebte, aber bevor ich Gefahr lief, auf dieses Vorhaben noch einen Genever trinken zu müssen, ging ich weiter. Ich fühlte mich unbezwingbar. Es war 17.15 Uhr, und bis spätestens 20 Uhr wollte ich in Steinbach am Wald sein. Wahnsinniger Hunger trieb mich voran. Ich habe einmal gelesen, dass Fußballspieler vor dem Spiel kein Mittagessen bekommen, damit sie hungrig und aggressiv über den Platz laufen. Das sollte für heute mein Geheimrezept werden. Ich hatte seit dem Frühstück nur ein altes Nusshörnchen und eine Tafel Schokolade gegessen. Ich war nicht eingekehrt, weil Essen mich nur unnötig Zeit gekostet und nur müde gemacht hätte.
     
    Ich ging auf einem langgezogenen, asphaltierten Weg. Der kam mir gerade recht, da ich das Tempo sehr hoch halten konnte. An der Schildwiese überschritt ich die Grenze nach Bayern. Der Rennsteig endet zwar in Blankenstein auf thüringischem Gebiet, verläuft aber hier einige Kilometer durch Oberfranken. Ich war ein bisschen enttäuscht, dass kein blauweißrautiertes Schild auf das neue Bundesland hinwies. Immerhin war hier 40 Jahre lang Schluss gewesen, erst nach der Wiedervereinigung konnte man die historischen 168 Kilometer wieder durchgehend wandern.
     
    Acht Kilometer vor Steinbach kann man entweder durch den Wald oder an der Straße entlanggehen. Ich entschied mich natürlich für den Wald, aber das zog sich elend lang. Wie blöde torkelte ich mit offen stehendem Mund durch das Gehölz. Jetzt war mein Kopf wirklich leer, wenn man von einem gewissen Rest an Konzentration auf Wurzeln und |394| Steine absieht. War das die berühmte Entspannung beim Wandern? Die letzten vier Kilometer folgten dann wieder der Straße. Noch nie in meinem Leben war ich so froh gewesen, einen Kreisverkehr am Ortsrand zu sehen. In Steinbach waren aller Hotelzimmer belegt. Mit letzter Kraft eilte ich zum Bahnhof und erreichte in buchstäblich letzter Sekunde die Regionalbahn Richtung Kronach in Oberfranken. Im Zug ließ ich mich im Fahrradabteil erschöpft fallen. Mein Rucksack, den ich auf dem Boden abgestellt hatte, sonderte Feuchtigkeit ab. In mehreren Rinnen lief das Wasser durchs Abteil, es sah aus, als hätte ein versoffener Seemann nicht mehr an sich halten können. Ich war genau 51,5 Kilometer an einem Tag gegangen, das bedeutete persönlichen Rekord. Aber war das wirklich erstrebenswert oder einfach nur noch krank?
    Ein Dokument der Willensstärke: Nach 48 Kilometern auf dem Rennsteig
    |395| Mit seinem Wanderglück kann man sich oft allein fühlen, denn alle anderen fahren Fahrrad, Auto oder sitzen zu Hause. Am Rennsteig ist das definitiv anders. Selten bin ich so vielen Wanderern begegnet, und wie es im Rennsteig-Lied heißt:
     
    Durch Buchen, Fichten, Tannen, so schreit ich in den Tag,
    begegne vielen Freunden, sie sind von meinem Schlag.
    Ich jodle lustig in das Tal, das Echo bringt’s zurück.
    Den Rennsteig gibt’s ja nur einmal und nur ein Wanderglück.
     
    Es gibt den Rennsteig-Gruß »Gut Runst« und die Mareile. Alles gewachsene Traditionen, die jüngere Fernwanderwege wie der Rothaarsteig nicht zu bieten haben. Trotzdem sollte man auch nicht zu viel erwarten, dann stören auch die Strecken in der Nähe der Straßen nicht. Die Infrastruktur mit Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten ist hervorragend (so lange man sich rechtzeitig um eine Herberge bemüht). Ob der Rennsteig aber zukünftig auch zum beliebtesten Wanderweg gewählt wird, wenn der Rheinsteig mit im Rennen ist? Das wird abzuwarten sein.
     
    Die klassische Runst von 1830, der Erstbegehung, wird in fünf Tagen gewandert. Viele wandern heute die Strecke eingeteilt in sechs Etappen. Ich schlage als wandersportliche Herausforderung eine Vier-Tage-Runst vor. Das entspricht ungefähr viermal einem Wandermarathon von 42 Kilometern, und die vier Kilometer mit dem bald in die Realität umgesetzten Neuhaus-Umgehungs-Shuttle

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