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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Andrack
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Rücken gehabt (spricht gegen Wanderung), hatte aber Wanderschuhe getragen (spricht für Wanderung). Ich hatte eine Mittagspause gemacht (spricht für Wanderung), war 14 Kilometer gelaufen (spricht für Wanderung) und war drei Stunden unterwegs gewesen (spricht für Wanderung). Es sprachen also mehr Argumente für die Bezeichnung »Wanderung«. Und doch war es irgendwie keine Wanderung für mich gewesen. Irgendwie kann man in einem Stadtpark nicht wandern, auch wenn man durch acht Parks hintereinander geht. Die Stadt war immer präsent, spürbar. Und das gehört dann doch irgendwie zu einer Wanderung, dass es hinaus in die Natur geht, nicht nur ins Grüne, sondern ins ländlich Grüne. Das Grüne U in Stuttgart war ein Ultraspaziergang gewesen, keine Wanderung. Allerdings ein sehr schöner Ultraspaziergang.
     
    |383| Aufführungslänge
    14 Kilometer
    Aufführungsdauer
    4 Stunden mit einer einstündigen Pause
    Programmheft
    Cityplan Stuttgart des großen ADAC-Stadtatlas, 1:20.000

|384|
    Rennsteig
    |385| Auf dem Rennsteig
    EINE BURLESKE
     
    Personen
    Viele Wandergruppen
    Lustige Herren
    Fünf Holländer
     
    Schauplatz ist der Rennsteig in Thüringen und Bayern, die Zeit Mai 2006.
     
    Nach einem steilen, knapp zwei Kilometer langen Aufstieg vom Bahnhof Oberhof erreichte ich am Ortsrand das sogenannte Rondell von Oberhof. Den Ort kannte ich als Hochburg des Biathlons. Am Rondell entdeckte ich das erste »R« des Rennsteigs, die Mareile. So zärtlich nennt der Rennsteig-Fan seine Wandermarkierung. Ursprünglich war es der Name einer schönen Förstertochter, auf die die ersten Rennsteigrenner im 19. Jahrhundert wohl alle scharf waren.
     
    Der Rennsteig in Thüringen ist einer der ältesten Fernwanderwege Deutschlands, von ihm hatte ich schon sehr viel gehört, Gutes und Schlechtes, und es war an der Zeit, sich ein eigenes Bild zu machen. Wie weit ich kommen würde, wusste ich noch nicht. Ich wollte sehen, was der Weg und meine Beine hergaben. Das Wetter war schlecht, ich wanderte meistens in einer Wolke. Es war ungefähr fünf Grad warm (das war als Tageshöchsttemperatur für diesen Donnerstag |386| Ende Mai vorhergesagt worden), und es regnete sanft. Es war kein Starkregen und kein Platzregen, kein Nieselregen, kein Sprühregen, sondern ein weicher Sanftregen. Die Isländer kennen 18 unterschiedliche Wörter für »Pferd«, und über wie viele Wörter für »Schnee« die Eskimos verfügen, darüber streiten die Experten. Wir sollten uns in unseren Breitengraden noch mehr Spezialausdrücke für Regen zulegen. Ich kenne Duschregen, Wohlfühlregen und Killerregen. Und natürlich Dauerregen, Nervregen und tropischer Regen.
     
    Der Rennsteig verläuft über einen Kamm, und schon fünf Kilometer hinter Oberhof erreicht man den höchsten Berg des Thüringer Waldes, den Großen Beerberg, der 982 Meter hoch ist. Die vielgerühmte Aussicht konnte ich nicht genießen, da die Sicht maximal 300 Meter betrug.
    Kleinere und größere Wandergruppen begegneten mir auf dem Weg, aber ich traf auf niemanden, der wie ich alleine unterwegs war. Am Ende einer weit auseinandergezogenen Wandergruppe, trug eine junge Dame die große Dreiecksfahne des Rennsteig-Vereins. Sie grüßte mich freundlich mit »Gut Runst!«, denn der Rennsteig besitzt einen eigenen Gruß. Der Angler grüßt mit »Petri Heil«, und die Jäger wünschen sich mit »Waidmanns Heil« Glück, der Rennsteigfreund kommt ohne »Heil« aus. Er wünscht sich eben »Gut Runst«. Dieser Gruß existiert seit 1899, und die Wortschöpfer zeigten große Kreativität: So wie aus »Kennen« »Kunst« wird, sollte aus »Rennen« »Runst« werden. Hört sich zwar lautmalerisch genauso schön an wie ein verschnupftes Schwein, ist aber zweifelsohne sehr originell. Eine richtige Runst hat man nur gemacht, wenn man die gesamten 168 Kilometer des Rennsteigs gewandert ist.
     
    |387| Vom Großen Beerberg ging ich nach Schmücke und machte Mittagspause. Ich war gerade mal sieben Kilometer gelaufen, aber trotz des schlechten Wetters waren mir schon über 100 Wanderer entgegengekommen. Also kein Wunder, dass der Rennsteig 2005 zum beliebtesten Wanderweg Deutschlands gewählt worden war. Aber ist der beliebteste Weg auch der Beste? Das beliebteste Restaurant der Deutschen ist McDonald’s, der beliebteste Fernsehsender RTL, und das beliebteste Urlaubsziel ist Mallorca. Ob sie die Besten sind, ist Geschmackssache. Das Gasthaus in Schmücke zumindest hatte etwas sehr Mallorquinisches, um nicht

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