Gesammelte Wanderabenteuer
Regen fahren. Goethe hatte kein Taxi gehabt: »Tief in der Nacht war ich nach mühsam erstiegener halber Gebirgshöhe eingetroffen in einer leidlichen Herberge.« Unsere Herberge in Weimar, das Hotel »Elephant«, war nicht leidlich, sondern luxuriös. Das traditionsreiche Hotel gehört mittlerweile zu der Sheraton-Kette und ist ein Fünf-Sterne-Hotel.
Goethe nächtigte im »Elephant« und brachte später |121| auch seine Gäste dort unter. Thomas Mann gehörte zu den Stammgästen, aber auch Adolf Hitler.
Victor und ich hatten ein Zimmer mit Bad und WC. Schon in der Jugendgruppe haben wir in gemeinsamen Schlafsälen und Zelten genächtigt. Da war ein Doppelzimmer in einem Fünf-Sterne-Hotel ein echter Fortschritt. Wir machten uns ein wenig frisch, und ich zog eine neue Hose an. Wir beschlossen den Abend im Weimarer Nationaltheater und sahen ein phantastisches Puppentheaterstück. Und vor den Säulen des Theaters wachten Goethe und Schiller Hand in Hand auf ihrem Sockel über Victor und mich.
Wegstrecke:
28 Kilometer
Wanderzeit brutto:
7 Stunden, 3 Minuten
Wanderzeit netto:
5 Stunden, 51 Minuten
WDG:
4,78 km/h
Autokennzeichen:
Von WE (Weimar) nach AP (Apolda) bis ganz ganz knapp vor SLF (Saalfeld)
Wanderkarte:
Kompass, Spezial Wander- und Radtouren karte, Weimar – Jena – Holzland, 1:50.000
Das Bier der Region:
Weimarer Pilsener
Höchster Punkt der Wanderung:
525 m (Luisenturm)
Niedrigster Punkt der Wanderung:
230 m (Weimar, Wielandplatz)
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Sächsische Schweiz
|123| Durchs wilde Karl-May-Land
Auf den Höhen der Sächsischen Schweiz
Mai 2004
Victor und ich waren morgens mit dem ICE von Weimar über Leipzig nach Dresden gefahren. Dort nahmen wir den Eurocity 173 von Hamburg über Berlin, Dresden und Prag nach Wien. Der Zug fuhr in äußerst gemächlichem Tempo an der Elbe entlang Richtung Süden. Die Grenzbeamten kontrollierten als bilaterales Doppelpärchen die Pässe. Jeweils zwei deutsche und zwei tschechische Beamte gingen von Reihe zu Reihe. Wir zeigten unsere Pässe nicht, da wir vor der Grenze aussteigen würden, was man uns erstaunlicherweise sofort glaubte.
In Bad Schandau verließen wir den Zug und fuhren mit dem Taxi zum »Parkhotel Bad Schandau«, um das Hauptgepäck abzuladen und uns wanderfertig zu machen. Wir hatten ein traumhaftes Zimmer, das auf eine tiefe und breite Terrasse hinausführte. Zwischen mächtigen Südstaaten-Häuser-Säulen hatte man einen wunderbaren Blick auf die Elbe. Nur mit Mühe konnte mich Victor davon abhalten, eine Runde in der Elbe zu schwimmen, so reizvoll präsentierte sich das Panorama.
Wir waren nicht zum Schwimmen hier. Wir wollten uns einen Teil der Sächsischen Schweiz im Elbsandsteingebirge |124| vornehmen, den wir noch nicht kannten. Es sollte von Bad Schandau aus Richtung tschechische Grenze gehen.
Vor zwei Jahren nach einer Theatervorstellung von Victor in Dresden hatten wir die weltberühmte Felsenformation Bastei erstiegen und waren durch die Schwedenlöcher gewandert. Felsen, Schluchten und Wege haben hier ungewöhnliche Namen: Schlaglöcher, der Diebskeller, ein nasses Loch, ein Buttermilchloch, die Honigsteine, der Satanskopf, der Heulenberg, der Mordgrund, die Nasenhöhle, der Hippengrund, die Gutebierwände, der Berg Kleine Liebe, die Affensteine und der Böse Turm. Wir stellten uns die alten Sachsen vor, wie sie sich diese Namen ausdachten und sich dabei vor Lachen die Bäuche gehalten haben.
Heute wollten wir nicht zur Bastei, sondern über den Gratweg der Schrammsteine wandern. In meinem Wanderführer »Wandern in der Sächsischen Schweiz« waren insgesamt 30 Touren beschrieben. Nur zwei davon galten als anspruchsvoll. Die anderen Touren waren als mittelschwer und einfach eingestuft worden. Keine der Wanderungen hätte meinen Sportwanderungs-Vorstellungen entsprochen. Sie waren allesamt zu kurz. Aber die Schrammstein-Tour mit dem Prädikat »anspruchsvoll« und einer Länge von 15 Kilometern schien mir für eine Halbtagestour angemessen. Schließlich konnten wir, durch unsere Anreise bedingt, erst um 13:30 Uhr starten.
Der Aufzug gegenüber dem Hoteleingang sah aus wie ein kleiner Eiffelturm, der ein keckes, lustiges Hütchen |125| aufhat. Ich hatte noch nie eine Wanderung mit einer Aufzugsfahrt begonnen. Für 1,25 Euro fuhren wir zusammen mit einem Liftboy hoch nach Ostrau. Dort sah es sehr eigentümlich aus: ungefähr 100 Jahre alte Ferienvillen, deren Baustil ich als eine Mischung aus Wildem Westen, Jugendstil
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