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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Andrack
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und Schwarzwaldhäusern beschreiben würde. Sehr hübsch.
    Wanderaufzug mit Hütchen – sen-sa-tio-nell
    Hinter Ostrau verlief der vom Wanderführer vorgeschlagene Weg parallel zu einer Kreisstraße. Auf der Wanderkarte war jedoch eine Alternative zu erkennen: ein direkter Weg durch grüne Wiesen zu den bizarren Formationen der Schrammsteinfelsen.
     
    Es war kein richtig gutes, aber auch kein ausgesprochen schlechtes Wetter. Der Himmel war grau. Der Wetterbericht |126| am Morgen hatte von ergiebigem Regen gesprochen. Der Terminus »ergiebig« im Zusammenhang mit Regen ließ mich frösteln. »Regenschauer« wäre ja noch okay gewesen, aber die Formulierung »ergiebiger Regen« machte uns ein wenig Angst. Auf der Hinfahrt hatten wir aus den nassen Straßen in Dresden geschlossen, dass die Regenfront schon vor uns angekommen sein musste.
     
    Ich hatte heute meine Wanderschuhe angezogen, um auf den zu erwartenden Kletterpartien trittsicher zu sein. Wenn es bereits geregnet hatte, würden die Felsen noch rutschiger sein. Und ich hatte mir vorgenommen, dass sich der »Sturz vom Goetheweg« nicht wiederholen sollte.
     
    Wir waren den Schrammsteinfelsen schon recht nah, uns trennte nur ein kleines Tal. Auf schmierig verschleimten Holzbohlen-Stufen ging es bergab. Ich ging voran. Wir waren kaum 200 Meter gegangen, als ich ein beunruhigendes Geräusch hörte.
    Es klang wie Pfflls-Pbllmm-Krrpsch. Oder war es doch eher ein einfaches Wrrosch?
    Ich drehte mich um, und Victor war gestürzt. Das Geräusch hatte sich gruselig angehört, sodass ich mir ernsthaft Sorgen um seine Gesundheit machte. Ich fürchtete Beinbrüche und Schlimmeres. Doch das Einzige, was von Victor kam war: »Scheiße, 1:1.«
    Da hatte doch dieser Mensch, den ich eigentlich zu meinen zwei besten Freunden zähle, den ich schon öfters, auch vor Zeugen, gar als meinen besten Freund bezeichnet habe, da hatte also dieser so genannte Freund ernsthaft darauf spekuliert, dass ich mich bei der heutigen |127| Wanderung noch das ein oder andere Mal auf den Hosenboden setzen würde.
    Er hatte förmlich darauf gewartet, fröhlich triumphierend 2:0 und 3:0 durch den Wald krähen zu können, während ich mich mühsam wieder aufgerappelt hätte. Und nun das.
    Ich kümmerte mich mit freundschaftlich gemeinten Sprüchen um ihn:
    »Keine Sorge, Victor, ich gehe weiter voran und weise dich auf feuchte Stellen hin.«
    »Vorsicht, Victor, hier sind die Treppenstufen etwas unregelmäßig gestaltet, tu dir bitte nicht noch einmal weh.«
    »Victor, soll ich nicht mal den Rucksack nehmen? Dann kannst du dich besser auf den Weg konzentrieren. Das wäre glaube ich besser für dich.«
     
    Nichts ist schöner als die Häme nach dem Triumph. Diese Art der Jungs-Rivalität haben wir uns über die Jahre erhalten, mit immer neuen Wetten und Wettkämpfen, um uns aneinander zu messen. Im Januar waren wir in der Schweiz in Braunwald im Kanton Glarus gewesen. Wir sind nicht Ski gefahren, sondern geschlittelt, wie die Schweizer so wunderbar sagen. Es hört sich nicht so bräsig an wie Schlitten fahren. Schlitteln ist knackig und sportlich. Und oben in Braunwald gab es Ia-Schlittelbahnen, die eine Mischung aus professioneller Rodelbahn und Spazierwegen durchs Dorf waren.
    Dort fuhren Victor und ich Rennen. Natürliche Hindernisse wie Spaziergänger und Planierraupen wurden, so gut es ging, umfahren. Nur einmal erwischte Victor versehentlich eine Spaziergängerin. Auf der wilden Hatz nach unten blieb leider keine Zeit für eine Entschuldigung. |128| Wir versuchten uns mit Tritten und Armstößen aus der Bahn zu werfen, und hatte sich einer von uns beiden in der Haarnadelkurve versteuert und sich mit dem Schlitten in den Schnee gebohrt, fuhr der andere mit Triumphgeheul vorbei.
     
    Diese Ben-Hur-Rennen auf Schlitten wollten wir nicht beim Wandern umsetzen. Wir stellten uns vor, wie albern es sein würde, die ganze Zeit rangelnd durch die Landschaft zu stolpern. So erfanden wir eben Ersatzkonkurrenzen wie die »Sich-auf-die-Schnauze-legen-Disziplin«. Und da stand es jetzt 1:1. (Wie verbissen dieses Duell in den Köpfen der Beteiligten geführt wurde, zeigt der Traum von Victor, den er mir am nächsten Morgen erzählte. Er hatte geträumt, dass ich mich noch einmal spektakulär auf die Fresse gelegt und er somit den Sieg errungen hätte.)
    Nach Victors Sturz stiegen wir ungefähr 150 Meter bergan Richtung Schrammsteine. In die Felsen am Wegesrand hatten sich »Schmierfinken« früherer Jahrzehnte

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