Gesammelte Wanderabenteuer
auf knapp 40 Kilometern nur an einem Spielplatz vorbeigekommen. Dabei ist es |158| häufig für die Motivation gut, den einen oder anderen Waldspielplatz ankündigen zu können (»Die halbe Stunde bis zum nächsten Spielplatz schaffst du noch!«).
Fünf Minuten nach dem Emmelshausener Spielplatz hatte ich die Orientierung verloren. »Papa weiß nicht, wo’s langgeht!«, höhnten die Kinder. Die Unfehlbarkeit des eigenen Vaters in Frage zu stellen ist anscheinend noch schöner, als die des Papstes anzuzweifeln.
Der Weg vom Emmelshausener Bahnhof zum Baybachtal ist nicht ausgeschildert, wenn man sich aber zum Fußballplatz durchfragt und dann zwischen Sportplatz und Kindergarten in den Wald talwärts geht, führt ein kleiner Bach (auf der Karte hat er keinen Namen) direkt zum Baybach.
An diesem Tag schien die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, aber es war noch kein richtiges Sandalenwetter. Ich hatte vor der Wanderung überlegt, Sandalen für die Kinder einzupacken, falls es wärmer würde. Aber ihre Sandalen waren noch nicht eingelaufen, und mit neuen Schuhen sollte niemand eine längere Wanderung unternehmen. Meine Kinder besitzen keine Wanderschuhe, da es in Kindergrößen keine Wanderschuhe gibt. Da wir aber so oft auch wieder nicht wandern, tun es auch ihre normalen Schuhe. Ich empfehle, bei Wanderungen den Kindern die Schuhe anzuziehen, die am besten eingelaufen sind, egal ob Turn- oder Straßenschuhe.
»Der Weg ist hier aber wanderig!«, sagte Myriam plötzlich. Direkt hinter Emmelshausen war der Weg noch |159| sehr »spaziergängig« gewesen, und das war natürlich langweilig. Uns umschwirrte ein gelber Schmetterling, und wir nannten ihn Bruno. Obwohl ich mir nicht sicher war, dass es wirklich immer der gleiche war. Bruno führte uns zu unserem Rastplatz. An einer Bachbiegung gab es wunderbare Sitzfelsen für gutes Wetter und eine Hütte für schlechtes Wetter. Hier ließen wir uns nieder und aßen ein Brötchen.
Meine Tochter mit meinem Rucksack
Und weil die Außentemperaturen auf über 15 Grad gestiegen waren, hatten Lena und Myriam blitzschnell ihre Strümpfe ausgezogen, um die Füße im Bach zu kühlen. Die Wassertemperatur betrug aber höchstens sechs Grad. Und so hallte hohes Kinderkreischen durch den Wald. Beide wollten sofort von mir aus dem Wasser gezogen werden. Das ging ihnen aber nicht schnell genug. Wieder Kreischen. Nun gut. Dann wollten sie wieder ins Wasser. »Man gewöhnt sich an die Kälte«, sagte Lena. Im nächsten Moment schrie Myriam auf, da ihre Sonnenbrille ins Wasser gefallen war. Lena wollte |160| die davonschwimmende Brille retten und trat auf einen spitzen Stein. Kreisch. Egal, Hauptsache, die Brille war gerettet. Kaum hatte sich Lena beruhigt, begann Myriam zu fluchen. Sie hatte immer schon einen Hang zum Theatralischen. Hektisch schlug sie mit beiden Armen um sich. Die erste Frühlingswespe war ihr zu nah gekommen. Und durch das kalte Wasser musste sie auch noch dringend pinkeln.
Ich versuchte, derweil möglichst konzentriert ein Buch über Evolution zu lesen. Dieses Buch mitgenommen zu haben war ein Fehler gewesen. Nicht weil es inhaltlich, sondern weil es gewichtsmäßig zu schwer war. Lena hatte ein Drei-???-Buch dabei und Myriam den 1000-seitigen fünften Harry-Potter-Band. Drei schwere Hardcover-Bücher bei einer Rucksackwanderung waren mörderisch, und ich spürte jetzt schon jedes Gramm. Taschenbücher sind gut zum Mitnehmen, Reclamheftchen noch besser, aber bitte nicht solche Buchstabenbriketts.
Wir hatten zwei Rucksäcke dabei. In meinem Rucksack steckten meine Klamotten, alle Bücher, der Proviant und eine Wasserflasche. Die Kinder trugen in einem gemeinsamen Rucksack ihre Kleider und wechselten sich beim Tragen ab. Nach unserer Pause waren noch je eine Jacke und ein Pullover dazugekommen. Morgens, als wir in Köln losfuhren, war es bitterkalt gewesen.
Das hinderte die Kinder aber nicht daran, sich mit Rucksack und Gebrüll kurze Hänge hinabzustürzen, um auszuprobieren, ob sie rechtzeitig bremsen könnten. Manchmal endeten diese Selbstversuche auf dem Hintern. Immer wenn einer von den beiden auf dem Hintern gelandet war, sangen wir zur Melodie von Loonas |161| »Bailando«: »Poooolandung, Polandung, amigos adios, adios ...«.
Wenn es dagegen bergauf ging, fingen die Kinder an zu jodeln und sangen das Heidi-Lied. Die beiden waren noch frisch und tatendurstig, und Lena protzte: »Das ist voll der geile Weg, aber nichts für dicke
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