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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Andrack
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Kinder.«
     
    Nun begann der Teil des Tals, wo sich hinter jeder Wegbiegung eine Mühle befindet. Lena und Myriam warteten auf eine ganz bestimmte, die Schmausemühle. Diese Mühle war die einzige Möglichkeit, während der Wanderung im Baybachtal einzukehren. Ein Schild am Wegesrand wies zwei Kilometer vorher auf die Mühle hin. Außerdem war auf diesem Schild notiert, dass dienstags Ruhetag sei. Wir hatten Mittwoch. Unnötig zu erwähnen, dass ich auf meiner ersten Hunsrück-Wanderung an einem Dienstag hier vorbeigekommen war.
    Insgesamt gibt es im Baybachtal 12 Mühlen. Wir kamen an der Strieder-Mühle vorbei und lasen folgende Gedenktafel:
    »Dies ist das Stammhaus des Johannes Strieder,
    der 1858 nach Amerika auswanderte.
    Seine Nachkommen kolonisierten
    Südbrasilien und Nordargentinien.«
    Ohne den Hunsrückmüller Johannes Strieder wäre die Zivilisation von Südamerika um vieles ärmer gewesen.
    Mühlen gehören nun mal zum romantischen Repertoire des Wanderns, wie auch die großen Mühlen-Hits »Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp klapp, klipp klapp, klipp klapp« und natürlich der Megahit |162| »Das Wandern ist des Müllers Lust, das Wahandern!«. Im letztgenannten Song empfiehlt sich das Wandern als einfache Fortbewegungsmöglichkeit. Im Unterschied zu Goethe und nachfolgenden Romantikern, die wandern
wollten, mussten
die Lehrlinge vergangener Tage sich per pedes und auf Schusters Rappen fortbewegen. An Bahnhöfen sieht man heute noch vereinzelt Zimmerleute mit coolen Schlaghosen und riesigen Hüten, was darauf hindeutet, dass »Auf-Wanderschaft-Sein« nicht mehr wörtlich genommen wird, sondern zu einer folkloristischen Tätigkeit »verkommen« ist.
    Der Müllergeselle aus der weniger bekannten zweiten Strophe des Volksliedes flehte noch seine Vorgesetzten an: »Herr Meister und Frau Meisterin, lasst mich in Frieden weiter ziehen, und wandern.« Und so war es auch: Für Kost und Logis arbeitete der Geselle ein paar Tage beim Müllermeister und zog dann zur nächsten Mühle. Was nichts weiter hieß, als eine Viertelstunde zur nächsten Wegbiegung zu spazieren, wo bereits eine weitere Mühle stand. Von Wandern kann man da eigentlich nicht sprechen.
    In der entfernteren Verwandtschaft meiner Frau gibt es noch einen aktiven Müller. Durch ihn habe ich einiges über die Geschichte des Müller-Berufs erfahren. Die Bauern brachten früher ihre Ernte zur nächstgelegenen Mühle ins Tal – das auch erklärt, warum es wahnsinnig viele Mühlen in jedem Tal gab, schließlich sollte es kein Bauer weit haben, war der Weg ins Tal doch schon beschwerlich genug. Als Lohn erhielt der Müller Naturalien oder ein Zehntel des Mehls, das den Müller in die Lage versetzte, genauso wie der Bauer sein eigenes Brot zu backen.
     
    |163| Ab den 20er Jahren ging es mit den Mühlen bergab. Der Job- und Existenzkiller wurden die aufkommenden Bäckereien in den Dörfern. Statt der Zur-Mühle-Fahrerei und Selbstbackerei war es natürlich viel praktischer, sein Brot beim Bäcker zu kaufen. Das Korn wurde zu den nicht mehr wasserbetriebenen Großmühlen gefahren oder erst gar nicht mehr angebaut. Bäckereien killed the Mühlen.
     
    Zwischen der Weinsmühle und der Schmausemühle wird das Tal des Baybachs sehr eng, es wird zu einer Klamm. Eine Klamm ist laut Definition eine schmale, tief eingeschnittene Schlucht mit fast senkrechten Felswänden. Die Wanderung wurde damit zu einem Achterbahnmarsch. Mal ging es unten am Bach entlang, dann musste man über Felsen klettern. Zur Absicherung gab es kein Geländer, aber stellenweise ein Stahlseil, das in Ösen am Felsen befestigt war. Die Kinder hatten jetzt das Kommando übernommen.
     
    Vorneweg schritt, kletterte und sprang Lena, die am liebsten die Wander-Pole-Position innehat, um niemanden vor der Nase zu haben. Dicht dahinter ging Myriam, und in ungefähr 20 Meter Abstand folgte ich. Ich kam nicht so schnell mit, da mein Rucksack so schwer war. Okay, die Kinder waren auf diesem Abschnitt viel schneller unterwegs und unternahmen sogar kleine Extra-Kletterpartien. Ich nahm meinem Alter entsprechend den vorgeschriebenen Weg und wurde als »langweiliger Papa« verhöhnt.
    Die Kinder stießen, wenn sie von kleineren Felsen sprangen, immer einen dumpfen Laut aus. Was sollte |164| das? So macht das Lara Croft auch, war die Antwort. Ab jetzt hießen die besten, weil felsigsten Wegpassagen »laracroftig«.
     
    Eine Kinderregel für diese nicht ungefährlichen Passagen ist: Nicht

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