Gesammelte Wanderabenteuer
würde alles in Schiltach wieder trocknen. Langsam merkte ich auch, dass es am Nacken feucht wurde und verschiedene Nahtstellen meiner Jacke durchnässt waren. Noch ging es. Keine Stunde später war ich am Ende. Das Futter meiner Jacke hatte sich komplett mit Wasser voll gesogen, die Oberschenkel meiner Jeans waren dunkelblau eingefärbt. Der Stoff klebte an meinen Beinen wie nach einem Regenguss auf dem Fahrrad. Nach insgesamt 15 Kilometern machte ich Rast an einer Wanderhütte. Das Innere der Hütte war allerdings verschlossen, sodass ich mich nur unter dem knappen Vordach unterstellen konnte. Inzwischen war die Feuchtigkeit weiter nach oben in meine Leistengegend gewandert und hatte auch von meiner Unterhose Besitz ergriffen. Ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr einen einzigen trockenen Faden Stoff am Leib. Alles hatte sich voll gesogen.
Ich beschloss, mich umzuziehen. Ich hatte ja noch mehr Klamotten dabei. Die waren zwar schon gebraucht, aber |184| wen interessierte das jetzt schon. Leider war auch mein Rucksack nur noch ein feuchtes Bündel und der Inhalt ebenso.
Verzweiflung pur! Nach der Nässe kroch noch aprilige 10-Grad-Kälte in meine Knochen, was die Angelegenheit nicht besser machte.
Ich musste die Wanderung abbrechen. Bis heute weiß ich nicht, wie Schiltach aussieht. Ich ging steil den Berg nach Bad Rippoldsau hinab. Ich brauchte ein Hotel. Schnell. Die Wirtsleute waren etwas erstaunt, dass da jemand am Nachmittag ein Zimmer für ein paar Stunden haben wollte. Aber ich war ja allein und augenscheinlich sehr feucht. So bekam ich für den halben Preis ein trockenes Zimmer. Ich breitete sämtliche durchnässten Sachen auf allen zur Verfügung stehenden Heizungen aus und drehte die Heizkörper auf Anschlag hoch. Dann stellte ich mich erst einmal unter die heiße Dusche.
Als sich nach zwei Stunden die gröbste Nässe aus den Kleidern verflüchtigt hatte, war mir das Warten zu langweilig geworden. Ich stieg in die klammen Klamotten und fuhr nach Köln zurück. Zu Hause warf ich meine Jacke und den Rucksack in den Müllcontainer. Direkt am nächsten Tag kaufte ich mir eine wirklich regendichte Gore-Tex-Jacke mit warmem und herausnehmbarem Fleece. Außerdem investierte ich in Wanderschuhe und einen richtigen Wanderrucksack aus Gore-Tex. Wenn es nach Regen ausschaut, verpacke ich alle Klamotten aus Baumwolle in Plastiktüten. Seitdem ist mir ein Regendesaster wie damals im Schwarzwald erspart geblieben – toi, toi, toi. Erstaunlicherweise fanden alle Wanderungen, die ich für dieses Buch unternommen |185| habe, bei herrlichstem Wetter statt. Ein kurzer Schauer trübte einmal das Bilderbuchwetter, ansonsten nur eitel Sonnenschein.
|186|
Hermannsweg
|187| Darf man Mountainbiker grüßen?
Mit Markus auf dem Hermannsweg
April 2004
Um 5:55 Uhr klingelte der Wecker. Es war Osterdienstag. Das Schicksal des Wanderers bleibt das frühe Aufstehen. Wer sich jemals gefragt hat, wer vor allem an Sonn- und Feiertagen die Züge am frühen Morgen benutzt, dem sei gesagt: Wanderer. Es macht keinen Spaß, erst um die Mittagszeit loszuwandern und so den halben Tag zu verschenken. Na gut, wenn es nicht anders geht, ist auch ein halber Tag besser als gar nichts.
»Der frühe Vogel fängt den Wurm«, sagte ich mir, um meinen müden Körper zu betrügen. »Morgenstund hat Gold im Mund«, schrie ich meinem schwachen Fleisch entgegen, um mich zu motivieren. Um 7:10 Uhr wollte ich am Kölner Hauptbahnhof sein. Ich hatte schon am Vorabend meinen Wanderrucksack gepackt, um nach einem Turbo-Frühstück schnell zur Straßenbahn zu kommen. Auf Gleis 4 wartete schon abfahrbereit der Zug Richtung Leipzig und mein Freund Markus. Wir wollten im Teutoburger Wald auf dem Hermannsweg wandern und nahmen bis Herford den Intercity.
Markus kenne ich seit meinem ersten Semester an der Universität Köln. Ich hatte 1984 Abitur gemacht und im |188| gleichen Jahr mein Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Germanistik und Kunstgeschichte aufgenommen. Das hört sich viel an, ist aber ein ganz normaler Studiengang für den Abschluss Magister Artium mit drei Fächern.
Markus studierte auch Germanistik, und wir besuchten denselben Erstsemester-Einführungskurs. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und trafen uns regelmäßig mit anderen Studenten zu einem Erstsemester-Stammtisch in der Kneipe »Cartoon«. An den Wänden hingen, wie der Name schon sagt, Cartoons von Zeichengiganten wie Mordillo und Uli
Weitere Kostenlose Bücher