Gesammelte Wanderabenteuer
immer die Frauen irgendwelche Männer um! Lena, die den Baumstamm ins Rutschen gebracht hatte, versicherte mir aber glaubhaft, dass der Stamm sich fast ohne ihr Zutun gelöst hätte. Ich hatte aber genug von meiner Lieblingsbank, und wir gingen weiter. In der drei Kilometer langen Ehrbachklamm war es zu |176| eng gewesen, um eine Mühle zu betreiben. Erst am Ende der Klamm kam die nächste Mühle. Sie schien sich in Privatbesitz zu befinden. Ein schickes, allradbetriebenes Geländefahrzeug stand vor dem aufwändig renovierten Gebäude. Soweit ich es erkennen konnte, hatte der Wagen ein Düsseldorfer Kennzeichen. Eine urige Mühle als Wochenendhaus! Ich war immer der Meinung, dass man so etwas sein lassen sollte. Gründe gibt es reichlich:
Es dauert um die drei Stunden, an einem Freitagnachmittag mit dem Auto von Düsseldorf in den Hunsrück zu kommen.
Wenn man angekommen ist, muss man erst einmal das machen, weswegen man aus der Stadt geflüchtet ist: Klo putzen, aufräumen, kochen etc.
Eine Mühle hat von der Lage her schon feuchte Mauern.
Wenn man nicht jedes Wochenende dort ist, braucht man vor Ort eine Vertrauensperson, die nach dem Rechten sieht.
Damit sich das Haus auch lohnt, lässt man auch mal liebe Freunde dort wohnen. Das hat je nach Grad der hinterlassenen Verwüstungen schon zu unschönen Vorwürfen geführt.
Werden die Kinder älter, wird man bald feststellen, dass Björn und Indira es nicht mehr angesagt finden, in wirklich
jedem
Urlaub ins »Häuschen« im Hunsrück zu fahren und nicht wie ihre Klassenkameraden nach Ibiza.
Ein hundert Jahre altes Dach ist häufiger mal undicht.
Holzhacken macht im Dauerregen keinen Spaß.
|177| Froh, keine Mühle im Ehrbachtal zu besitzen, ging ich mit Lena und Myriam zur Daubersbergermühle. Endlich wieder eine Rast machen! Wir hatten ja schon sooo lange keine Pause mehr gemacht. Die Kinder hatten Lust auf was Süßes. Ich auch. Also holten wir uns bei der schrulligen Daubesbergermühlen-Frau (hier nur Selbstbedienung) Eis. Myriam, die Jüngste, aß ein Ed von Schleck, Lena ein Exotic-Solero und ich einen Happen. Auch Langnese ist von der Retrowelle erfasst worden und hat den »Braunen Bär« wieder im Programm. Mochte ich noch nie. Der Karamellkern ist eklig klebrig. Ich war immer für »Miami Flip«.
Hinter der Daubersbergermühle gingen wir durch eine baumreiche Gegend. Die Zweige der Laubbäume hingen tief über dem Weg und streiften gelegentlich unsere Köpfe. Myriam blieb nun alle 100 Meter stehen, um ihre Kopfhaut nach Zeckenbefall abzusuchen. Sie schimpfte mit mir, weil ich die Zeckenzange vergessen hatte. In der Tat sollte bei Frühlings- und Sommerwanderungen immer eine Zeckenzange im Gepäck sein. Die Zecken-Biester graben sich mit ihren Köpfen in die unterschiedlichsten Körpergegenden. Meine Schwester, die Kinderärztin ist, musste einmal einem achtjährigen Jungen Zecken aus dem Hodensack entfernen.
Auch nachdem wir uns in der Hierermühle nochmal mit Fritten und Steak, Salat für alle und einem kühlen Königsbacher Pils für den Papa gestärkt hatten, war nach ungefähr neun Kilometern Fußmarsch bergauf die Erschöpfung groß. Lena und Myriam waren mit ihren Kräften am Ende und kämpften zusätzlich mit einer |178| gewissen Verdauungsmüdigkeit (medizinischer Fachausdruck: postprandiale Müdigkeit). Plötzlich war alles schlecht, langweilig und blöd. Myriam fing an zu fluchen: »Das ist ein Fuck-Weg.« Lena schloß sich an: »Immer laufen ist doof. Ich will jetzt neben dem Weg herschwimmen.« Das wäre für andere Kinder auch eine Qual, aber im Wasser ist Lena in ihrem Element. Da nölte aber auch schon wieder Myriam von rechts: »Ich schwitze, und ich bin müde, und mir ist langweilig, und alles ist langweilig.« Und, ganz wichtig: »Ich will nach Holland.« Tja, das würde wohl heute nichts mehr werden.
Zur Aufheiterung schlug ich das »Schritt-für-Schritt«-Spiel vor.
»Schritt für Schritt und
Mann für Mann, und
wer den Schritt nicht halten kann,
der ist ein dummer, dummer Eselsmann.
Ein Hut,
ein Stock,
ein Damenunterrock.
Und vorwärts,
rückwärts,
seitwärts ran.«
Dieses Spiel brachte uns immerhin unserem Ziel 200 Meter näher. Irgendwann waren wir dann am Bahnhof, doch der nächste Zug fuhr erst eine Stunde später. Also nahmen wir den Bus nach Koblenz und von dort den Zug zurück nach Köln. Im Rückblick fanden die Kinder die ganze Wanderung großartig. Obwohl der zweite Tag |179| gegen die Wanderung im
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