Gesammelte Wanderabenteuer
hatte von einer Wander-WM in Österreich gehört, was meinen Ehrgeiz weckte. Könnte ich es tatsächlich schaffen, Wanderweltmeister zu werden?
In »Du musst wandern« ging es oft darum, wie viele Kilometer am Tag ich schaffen konnte und wie hoch meine Wanderdurchschnittsgeschwindigkeit war. Schneller, höher, weiter. Das ist vorbei. Ich bin älter geworden. Der Zahn der Zeit nagt an meinem Körper. Und das wirkt sich natürlich auch auf mein Wanderhobby aus.
Sie sehen, es gab eine Fülle von Gründen, »Wandern« zu schreiben. Nicht als Fortsetzung von »Du musst wandern«, sondern als Weiterführung und Ergänzung. »DMW« ist die Grundschulfibel des Wanderns, das vorliegende Buch die fast komplette Enzyklopädie des Wanderns.
Ich möchte mich vorab schon bei jedem Leser entschuldigen, dessen Lieblingswandergebiet schon wieder keine Aufnahme gefunden hat oder dessen Lieblingswandergebiet ich nicht ganz so toll fand. Sie wissen doch, wie Kritiker – und dazu gehöre ich als Kritiker des guten Weges auch – sind. Sie haben meistens keine Ahnung.
|235| Ich habe versucht, viele deutsche Wanderregionen zu berücksichtigen. In »Wandern« sind die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vertreten. Die anderen Bundesländer sind entweder zu klein oder haben keine Mittelgebirge zu bieten. Sorry, Saarland, Schleswig-Holstein und Bremen. Trotzdem bleibe ich dabei: Ich möchte mit diesem Buch keinen Wanderführer vorlegen, Sie müssen die beschriebenen Touren nicht exakt nachgehen. Manchmal werde ich auch recht deutlich und sage, dass sich das auch überhaupt nicht lohnt. Das Buch soll vielmehr alle Vielwanderer und neugierig gewordene Wandernovizen ermutigen, Deutschland und seine unterschiedlichen Regionen kennenzulernen.
Ich danke meinen Mitwanderern, meiner Frau, meinen Töchtern und meinen besten Freunden Victor und Markus. Und ich danke meiner Lektorin Birgit Schmitz.
Köln, im Sommer 2006
Manuel Andrack
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Siebengebirge
|237| Wandern als Therapie
EIN DRAMOLETT
Personen
Ein Urologe
Eine Nachtschwester
Ein Nachtportier
Ein russischer Stationsarzt
Schauplatz ist die Kölner Innenstadt und das Siebengebirge bei Bonn, die Zeit Januar 2005.
Warum ist es am Rhein so schön? Unzählige Rheintouristen haben sich diese Frage gestellt, egal ob sie aus England, den USA oder Japan kamen. Ich beantworte die Frage zunächst einmal als Kölner. Am Rhein ist es natürlich wunderwunderschön, weil die tollste Stadt der Welt, ach was, des Universums, am Rhein liegt. Wenn man aber vom schönen Rhein spricht, meint man eigentlich nicht den Rhein bei Köln, sondern das Mittelrheintal zwischen Koblenz und Bingen. Der Mittelrhein ist Weltkulturerbe, womit er genauso bedeutend wie das Bergwerk Rammelsberg in Goslar, die Ruinenstadt Butrint in Albanien und die historische Kartonfabrik von Verla in Finnland ist. Sollte also irgendjemand auf die Idee kommen, das gesamte Tal mit Bürotürmen vollzustellen oder eine sechsspurige Autobahnbrücke über den Rhein zu bauen, dann sind ruckizucki die UNO, die UNICEF, |238| die UNESCO und der CIA zur Stelle, und der Rang des Weltkulturerbes ist dahin.
Vom Schiff und vom Zug aus fand ich das Rheintal immer schon schön. Trotzdem wäre ich nie auf die Idee gekommen, am Rhein zu wandern. Der Rheinhöhenweg verlief auf asphaltierten Wirtschaftswegen weit weg vom Fluss durch viele Dörfer und kleine Städte. Es hatte lange gedauert, bis sich daran etwas änderte. Die regionalen Tourismusverbände und die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen hatten sich zusammengetan und einen gemeinsamen »Qualitätsweg« mit dem griffigen Namen »Rheinsteig« geplant. Im Herbst 2005 sollte der anspruchsvolle Weg offiziell eröffnet werden. »Erlebniswandern pur« versprach man mir und allen anderen ambitionierten Wanderern.
Es war Januar und mitten in der Nacht. Ein abwechselnd drückender und stechender Schmerz fuhr durch meine linke Seite. Ich stand auf, lief auf und ab, aber nichts half. Um vier Uhr bestellte ich ein Taxi zur Uni-Klinik. Noch während der Fahrt wurden die Schmerzen schlimmer, und ich fühlte mich wie eine Gebärende im Endstadium der Presswehen (an dieser Stelle schon einmal eine Entschuldigung an alle Mütter: Ich weiß, ich weiß, wir Männer werden die Schmerzen des Kinderkriegens nie nachempfinden können). In der Uni-Klinik empfing
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