Gesammelte Wanderabenteuer
besonders vielen Leuten, die hier unterwegs sein würden, und sang lauthals »So ein Tag, so wunderschön wie heute«. Kein Aufstieg des 1. FC Köln, keine Meisterschaft konnte schöner sein!
|245| Mein Urologe war sehr zufrieden mit mir. Der OP-Termin wurde abgesagt. Der Nierenstein war gewandert, weil ich gewandert war. Wandern kann so gesund sein!
Aufführungslänge
17 Kilometer
Aufführungsdauer
4 Stunden, 36 Minuten mit einer 48-minütigen Pause
Programmheft
Hatte ich nicht dabei, es empfiehlt sich aber die sehr aktuelle Karte »Bonn und das Siebengebirge«, 1:25.000, in der der Rheinsteig schon verzeichnet ist.
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Pfälzer Wald
|247| Berg frei!
EIN DRAMA DER ARBEITERBEWEGUNG IN FÜNF AKTEN
Personen
Victor
Mein bester Freund und Schauspieler
Viktor Frankenstein
Monstermacher
Christian, Helmut, Klaus
Mitarbeiter im Naturfreundehaus Elmstein
Gerard, Der Mann am Telefon
Mitarbeiter im Naturfreundehaus Finsterbrunnertal
Die Serviererin im Café Nickels
Seminarteilnehmer von ver.di
Schauplatz ist der Pfälzer Wald, die Zeit Januar 2006.
Also mal ehrlich, alle Wanderer sind doch Naturfreunde. Deswegen liebt man dieses Hobby schließlich, weil es einen an den schönen Busen von Mutter Natur drückt. Ich hatte mir deshalb nie etwas dabei gedacht, wenn ich in den vergangenen |248| Jahren an Naturfreundehäusern vorbeigegangen war. Ich vermutete dort immer Treffen großer Naturliebhaber. Dass es sich um eine hochpolitische Vereinigung handelt, hatte ich nicht gewusst.
1895 waren die Naturfreunde in Wien als Arbeiterwanderverein gegründet worden und hatten sich Folgendes zum Ziel gesetzt: »Raus aus den grauen Fabrikhallen, in der Natur Entspannung und Kraft für den gesellschaftlichen Kampf für gleiche Rechte aller Menschen finden« – also Wandern als Vorbereitung auf den Klassenkampf. Und tatsächlich kämpften die Naturfreunde nicht nur für bessere Arbeitsbedingungen, sondern auch für klassenlose Wanderungen. Denn um die vorletzte Jahrhundertwende waren die Wanderwege häufig Privatwege. Der Wald gehörte Adel oder Kirche, und damit waren die Wege nicht frei zugänglich. Also musste erst einmal das Recht erkämpft werden, in den Wäldern zu wandern. Die Naturfreunde organisierten Demonstrationen und marschierten, so stelle ich mir das zumindest vor, mit wehenden roten Fahnen und Arbeiterliedern durch die Wälder. Um ihrem Anliegen Ausdruck zu verleihen, prägten die Naturfreunde den Kampfruf »Berg frei!«.
Mit solidarischen Gefühlen für die Internationale waren Victor und ich um die Mittagszeit losgewandert. Unser Ausgangspunkt war der kleine Talort Frankenstein in der Pfalz, an der Bahnstrecke zwischen Neustadt an der Weinstraße und Kaiserslautern gelegen. Es war ein herrlicher Wintertag mit strahlend blauem Himmel, und in drei bis dreieinhalb Stunden wollten wir über Schwarzsohl das Naturfreundehaus in Elmstein erreichen. Oberhalb des Bahnhofs passierten wir die Burg von Frankenstein. Das war |249| aber nicht DIE Burg Frankenstein. Bevor ich von der Wanderung erzähle, ein paar Worte zur Frankenstein-Mythologie. So viel Zeit muss sein.
Die Burgruine von Frankenstein in der Pfalz hat nichts mit der Geschichte um den jungen Wissenschaftler Viktor Frankenstein (Viktor mit »k«, nicht wie mein Freund Victor mit »c«) und das von ihm geschaffene Wesen, auch Monster genannt, zu tun. Aber einige Kilometer weiter nordöstlich, bei Darmstadt, gibt es die echte Burg Frankenstein. Und dort hat Anfang des 18. Jahrhunderts der Alchimist Dippel ein Labor besessen. Da dem Pfarrer vor Ort die Aktivitäten des Herrn Dippel unheimlich waren, setzte er das Gerücht in die Welt, dass der Wissenschaftler für seine Experimente Leichen ausgraben würde und sie zum Leben erwecke. Und diese Unholde würden in den Wäldern rund um die Burg ihr Unwesen treiben, würden Kinder rauben und Jungfrauen schänden. Diese Gruselmär schnappten wiederum die Gebrüder Grimm auf und fügten sie ihrer Märchensammlung bei. Die beiden fürchteten aber, dass die Geschichte nur eine Jugendfreigabe ab 18 Jahren erhalten würde (wegen Gewalt und Sex und so) und daher als Hausmärchen ungeeignet war. Die Geschichte vom Alchimisten Dippel von Burg Frankenstein war jedoch voreilig von den Grimms nach England geschickt worden, um sie dort übersetzen zu lassen. Die Übersetzerin war Mary Jane Clairmont, deren Sohn wiederum Mary Shelly ehelichte, die dann letztendlich das berühmte
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