Gesammelte Wanderabenteuer
mich ein Pförtner mit der Figur eines Bodybuilders, ein Rausschmeißer für Betrunkene, Nervensägen und Junkies.
Als ich der Nachtschwester meine Symptome geschildert hatte, war sie zunächst unsicher, ob sie mich zum Urologen oder zum Chirurgen schicken sollte. Aber als im Urin Blut nachgewiesen wurde, tippte sie auf Nierensteine und |240| schloss mich an einen Tropf an. Sie verabreichte mir ein Potpourri aus dreierlei Schmerzmitteln plus einer Lösung gegen Übelkeit, und ich entspannte von Minute zu Minute. Genauso muss sich ein Drogenabhängiger fühlen, wenn er sich nach langer Zeit wieder einen Schuss setzt. Mich durchströmte ein unglaubliches Glücksgefühl. Keine Schmerzen mehr, herrlich!
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Der Beginn einer Wanderung: Die Universitätsklinik zu Köln
|240| Drei Stunden Wartezeit und zwei Röntgenaufnahmen später teilte mir der russische Stationsarzt der Urologie mit: »Sie haben einen Nierenstein, und der muss schleunigst weg.«
Er überwies mich an einen niedergelassenen Urologen, bei dem ich eine Stunde später eintraf. Missmutig betrachtete dieser meine Röntgenaufnahmen. »Wir müssen unbedingt für den übernächsten Tag einen Operationstermin für Sie ansetzen. Ihre linke Niere arbeitet nicht mehr. Wir müssen den Nierenstein lokalisieren.« Zur Erinnerung: Jeder Mensch hat zwei Nieren.
In den nächsten sechs Stunden wurden noch weitere acht Röntgenaufnahmen gemacht. Auf den ersten Aufnahmen war kein Nierenstein zu sehen gewesen, und man spekulierte schon, ob es zu einer Nierentransplantation kommen werde. Woher sollte ich so schnell eine Spenderniere nehmen? Dann entdeckte man den Nierenstein doch noch. Er steckte im Harnleiter fest, weshalb er auch nicht mit Laserstrahlen zertrümmert werden konnte. Eine Operation schien unvermeidlich.
Zwischen den vielen Röntgenaufnahmen hüpfte ich durch den nahe gelegenen Stadtpark. Der Urologe hatte mir empfohlen, mich viel zu bewegen und vor allem zu springen. »Dann könnte der Nierenstein wandern.« Im Park fühlte ich mich etwas unwohl. Langsam machte sich das latente Schlafdefizit bemerkbar, und die Blicke der anderen Spaziergänger |241| blieben mir nicht verborgen. Ist der einfach nur irre und hält sich für ein Känguru, oder läuft hier irgendwo eine versteckte Kamera?
Am nächsten Tag stand ich früh auf und ging zum Urologen. Was wörtlich zu verstehen ist, da ich in diesen Stunden und Tagen kein öffentliches Verkehrsmittel, kein Taxi und kein Fahrrad für meine Touren durch die Stadt benutzte. Alles wurde zu Fuß gemacht, ich erwanderte mir meine Stadt schnellen Schrittes. Denn vom Hüpfen war ich mittlerweile abgekommen. Es sah wirklich zu dämlich aus.
Nach den ersten Röntgenaufnahmen keimte Hoffnung auf. »Der Stein ist kurz vor das Ostium gesunken (Ostium, häh?), und ihre linke Niere arbeitet wieder. Haben Sie sich viel bewegt?« Was für eine Frage, ich war ungefähr 20 Kilometer gelaufen. Der Urologe hatte ein Einsehen, verschob den Operationstermin noch um einen Tag und verschrieb mir als Therapie: Laufen und Saufen. Am besten solle ich tüchtig wandern. Mit den Worten: »Morgen sehen wir dann, ob der Nierenstein schon weiter hinabgerutscht ist«, verabschiedete er mich, und ich durfte raus in die Natur, statt im Krankenhaus zu liegen.
Ich überlegte fieberhaft, wo ich hinfahren könnte, denn das Laufen in Köln war nur begrenzt geeignet. Es war zu flach, der gewünschte Effekt würde sich erst im Gebirge einstellen. Die in Frage kommenden Berge in der Eifel waren mindestens anderthalb Stunden entfernt. Da erinnerte ich mich an den Rheinsteig, der laut Zeitungsartikel im Siebengebirge beginnen sollte. Und bis dahin war es nun wirklich nicht weit.
Das Siebengebirge kann man bei guter Sicht schon von Köln aus sehen. Es erstreckt sich am rechten Rheinufer, direkt |242| gegenüber dem alten Regierungssitz, zwischen Bonn-Beuel und Bad Honnef. Der Name leitet sich vermutlich nicht von den sieben Hauptbergen ab, sondern von den Siefen. Siefen nennt man die feuchten Nebentäler eines kleineren Gebirges. Weil es dort nass ist und tropft, sind die Siefen auch der Wortstamm für siffig, das ja das passende Adjektiv für alles Schmutzige, Unordentliche, Ekelhafte ist. Da dachte man sich wohl: SIEBENgebirge hört sich entschieden schöner an als SIFFENgebirge.
Losgehen sollte es am Kloster Heisterbach. Als Zielort hatte ich Bad Honnef, 20 Kilometer entfernt, geplant. Am Kloster suchte ich verzweifelt nach einer Markierung
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