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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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wussten, dass es eine solche gab - machthungrige, revolutionäre oder träge und resignierte Entartete -, erklärte man zu Feinden des militanten Staates. Und entsprechend wurde mit ihnen verfahren.
    Maxim war so entsetzt und verzweifelt, als hätte er plötzlich entdeckt, dass seine bewohnte Insel von Marionetten anstelle von Menschen bevölkert war. Es gab keine Hoffnung. Sefs Plan, ein größeres Gebiet zu erobern, war ein Abenteuer. Sie hatten eine immense Maschinerie vor sich; sie war einerseits zu simpel, um sich weiterzuentwickeln, andererseits aber zu groß, um sie mit minimalen Mitteln zerstören zu können. Es gab in diesem Staat keine Macht, die in der Lage gewesen wäre, ein Volk zu befreien, das gar nicht ahnte, dass es unfrei - oder, wie Wildschwein es ausdrückte, aus dem Lauf der Geschichte herausgefallen war. Und die Maschinerie war in ihrem Kern unverletzbar, resistent gegen alle kleinen Störungen. Wurden Teile von ihr vernichtet, regenerierte sie sich sofort. Auf Reize reagierte sie eindeutig und augenblicklich, ohne sich um das Schicksal der einzelnen Elemente zu scheren. Hoffen ließ nur der Gedanke, dass das System ein Steuerpult besitzen musste, eine Zentrale, ein Gehirn. Theoretisch konnte man es zerstören, dann geriete es aus dem Gleichgewicht und es käme der Moment, in dem man versuchen könnte, diese Welt auf einen anderen Weg und auf das Gleis der Geschichte zurückzulenken. Doch der Standort der Zentrale war
streng geheim und - wer sollte sie zerstören? Das war etwas anderes als der Angriff auf einen Turm. Eine solche Operation erforderte immense Mittel und eine ganze Armee strahlenunempfindlicher Mitstreiter. Oder einfache, leicht zu beschaffende Schutzmittel. Doch nichts dergleichen war vorhanden. Nicht einmal in Aussicht. Es gab zwar einige Hunderttausend Entartete, aber sie waren zersplittert, getrennt, verfolgt. Viele von ihnen waren zudem sogenannte Legale. Und selbst wenn es gelänge, die Entarteten zu vereinen und zu bewaffnen - die Unbekannten Väter zerschlügen den kleinen Trupp unverzüglich mit ihren mobilen Emittern.
    Sef hatte längst aufgehört zu reden. Doch Maxim saß noch immer mit gesenktem Kopf da und bohrte mit einem Stock in der trockenen schwarzen Erde. Dann räusperte sich Sef und sagte verlegen: »Ja, Kumpel. So sieht’s aus.«
    Anscheinend bereute er schon, dass er davon angefangen hatte.
    »Worauf hofft ihr?«, fragte Maxim.
    Sef und Wildschwein schwiegen. Maxim hob den Kopf und sah sie an, dann murmelte er: »Entschuldigt, ich … Das ist alles so … entschuldigt.«
    »Wir müssen kämpfen.« Wildschweins Stimme klang ruhig. »Wir kämpfen, und wir werden kämpfen. Sef hat Ihnen eine der Strategien des Stabs genannt. Es gibt noch andere, ebenso anfechtbare, und kein einziges Mal in der Praxis erprobt. Verstehen Sie, bei uns ist alles erst im Werden. Eine in sich schlüssige Theorie bekommt man nicht in zwanzig Jahren hin, so aus dem Nichts.«
    »Diese Strahlung«, begann Maxim langsam, »wirkt sie gleichmäßig auf alle Völker Ihrer Welt?«
    Wildschwein und Sef sahen einander an.
    »Ich verstehe nicht«, sagte Wildschwein.
    »Ich meine Folgendes: Gibt es ein Volk, in dem wenigstens ein paar Tausend Menschen wie ich sind?«

    »Kaum«, antwortete Sef. »Höchstens bei diesen … bei den Mutanten. Massaraksch, nimm’s mir nicht übel, Mak, doch du bist ja offensichtlich auch ein Mutant. Eine geglückte Mutation, wie sie pro Million einmal passiert.«
    »Ich nehm’s nicht übel«, sagte Maxim. »Die Mutanten leben also dort, hinter den Wäldern?«
    »Ja.« Wildschwein blickte ihn unverwandt an.
    »Was ist da eigentlich?«
    »Der Wald, und dann Wüste.«
    »Und Mutanten?«
    »Ja. Halbe Tiere. Verrückte Wilde. Aber bitte, Mak, hören Sie auf damit.«
    »Haben Sie schon einmal welche gesehen?«
    »Nur tote«, sagte Wildschwein. »Zuweilen fängt man sie im Wald und dann erhängt man sie vor den Baracken, um die Stimmung zu heben.«
    »Weshalb?«
    »Weil sie so einen schönen Hals haben«, raunzte Sef. »Dummkopf! Das sind Tiere! Unheilbar, und gefährlicher als jedes Tier. Ich habe sie gesehen, nicht mal im Traum stellst du dir so etwas vor.«
    »Und warum zieht man die Türme bis dorthin?«, fragte Maxim. »Will man sie zähmen?«
    »Hören Sie auf«, wiederholte der Einarmige. »Es ist hoffnungslos. Sie hassen uns. Aber machen Sie, was Sie wollen. Wir halten keinen.«
    Sie schwiegen. Dann hörten sie aus der Ferne, hinter ihrem Rücken, ein bekanntes

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