Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
Vom Netzwerk:
Hals. »Mir ist schlecht. Ich lege mich hin, in Ordnung?«
    Ohne die Antwort abzuwarten, verschwand er in der Luke und warf sich auf die Zweige, die Beine angezogen. So ist das also, dachte Maxim. Gar nicht so einfach, wie ich geglaubt habe. Er wurde unruhig. Gai hat seinen Strahlenstoß nicht bekommen, das Feld haben wir vor fast zwei Stunden verlassen. Er hat sein ganzes Leben darin verbracht - womöglich schadet es ihm, darauf zu verzichten? Wenn er nun krank wird? Das fehlte noch, so ein Mist. Er blickte in Gais bleiches Gesicht, und seine Angst wuchs. Schließlich hielt er es nicht mehr aus, sprang in die Kabine hinunter, stoppte das Triebwerk,
schleppte Gai nach draußen und legte ihn ins Gras neben der Chaussee.
    Gai schlief. Er brabbelte im Traum und zuckte heftig. Dann übermannte ihn Schüttelfrost, er krümmte sich, kroch ganz in sich zusammen und steckte sich die Fäuste in die Achselhöhlen, als sollte ihm davon warm werden. Maxim bettete Gais Kopf auf seine Knie, drückte die Finger gegen seine Schläfen und versuchte, sich zu sammeln. Er hatte lange keine Psychomassage gemacht, doch er wusste, dass es darauf ankam, völlig abzuschalten, sich zu konzentrieren und das Nervensystem des Kranken in das eigene, gesunde einzubeziehen. So saß er zehn oder fünfzehn Minuten. Als er wieder zu sich kam, merkte er, dass es Gai besser ging: Sein Gesicht war leicht gerötet, er atmete gleichmäßig und fror nicht mehr. Maxim bereitete ihm ein Kissen aus Gras, blieb noch eine Weile neben ihm sitzen und verjagte die Mücken. Doch dann fiel ihm ein, dass sie noch weit zu fahren hatten und der Reaktor undicht war. Für Gai stellte das eine Gefahr dar, also musste er etwas dagegen unternehmen. Er stand auf und ging zum Panzer zurück.
    Es kostete ihn einige Mühe, die Bordpanzerungsplatten von den verrosteten Nieten zu lösen und sie dann an der Keramikwand zu befestigen, die den Reaktor und das Triebwerk von der Fahrerkabine trennte. Als er sich die letzte vornahm, spürte er auf einmal Fremde in der Nähe. Vorsichtig beugte er sich aus der Luke - und erstarrte.
    Zehn Schritte vor ihm standen drei Gestalten. Er identifizierte sie nicht gleich als Menschen, aber sie waren bekleidet. Zwei von ihnen trugen eine lange, dünne Stange auf den Schultern, von der, den blutigen Kopf nach unten, ein kleines, hirschähnliches Huftier hing. Und am Hals des Dritten baumelte, quer über seiner Hühnerbrust, ein klobiges Gewehr ungewöhnlichen Typs. Mutanten, dachte Maxim. Das sind sie also, die Mutanten. Erzählungen und Legenden, die er gehört
hatte, tauchten aus seiner Erinnerung auf und wurden sehr glaubhaft: Sie ziehen einem bei lebendigem Leibe die Haut ab, sind Menschenfresser, Wilde, Tiere. Er biss die Zähne zusammen, sprang hinaus auf die Panzerung und erhob sich zu voller Größe. Der mit dem Gewehr trippelte komisch auf seinen kurzen Säbelbeinen, rührte sich aber nicht von der Stelle. Er reckte nur eine Hand mit zwei langen, vielgliedrigen Fingern in die Luft, fiepte laut und krächzte: »Willst du essen?«
    Maxim öffnete die verklebten Lippen: »Ja.«
    »Schießt du auch nicht?«, wollte der Besitzer des Gewehrs wissen.
    »Nein.« Maxim lächelte. »Auf keinen Fall.«

15
    Gai saß an einem grob gezimmerten Tisch und reinigte seine Maschinenpistole. Es war Vormittag, etwa Viertel nach zehn, und die Welt um ihn herum wirkte grau, karg und farblos. Sie ließ keinen Platz für Freude oder eine andere, lebendige Gemütsregung - alles war matt und krank. Er hatte keine Lust zu denken, wollte weder etwas sehen noch hören, nicht einmal schlafen, nur den Kopf auf den Tisch legen, die Arme sinken lassen und sterben. Sterben und Schluss.
    Das Zimmer war klein und besaß nur ein einziges Fenster ohne Glasscheibe; es ging auf die riesige, rötlich-graue Wüste hinaus, die gestrüppüberwuchert und von Ruinen übersät war. Die ausgeblichenen Tapeten hatten sich stellenweise von den Wänden gelöst; das Parkett war geborsten und in einer Ecke verkohlt. Von den früheren Bewohnern zeugte nur noch eine große Fotografie unter gesprungenem Glas, auf der bei genauerem Hinsehen ein älterer Herr mit albernem Backenbart
und einem lächerlichen Hut, der an einen Blechteller erinnerte, zu erkennen war.
    Hätten doch seine Augen all das nicht gesehen! Könnte er doch jetzt nur aufheulen oder verrecken wie der letzte räudige Hund! Aber Maxim hat befohlen: »Waffe reinigen! Jedes Mal«, hatte er gesagt und mit dem Finger hart auf den

Weitere Kostenlose Bücher