Gesammelte Werke 1
das Ende. Das Ende des Krieges. Das Ende von General Schekagu und General Odu, vom Bebrillten, von Teekessel, Wolke und anderen, Unbedeutenderen. Gut möglich, dass es das Ende des Onkels war. Und selbstredend wäre es das Ende des Schlaukopfs - wenn er kein Schlaukopf wäre …
Er ließ den Bericht in einem Glas Wasser aufweichen und lief im Kreis durch sein Arbeitszimmer. Er war ungeheuer erleichtert. Zumindest wusste er jetzt genau, wann man ihn nach oben beordern würde. Als Erster wäre der Schwiegervater dran; dann würden sie mindestens einen Tag brauchen, um ihre Wahl zwischen Hampelmann und Zahn zu treffen. Dann dürften sie mit dem Bebrillten und Wolke beschäftigt sein. Also noch ein Tag. Teekessel erledigen sie nebenbei; General Schekagu hingegen würde sie allein mindestens zwei Tage kosten. Und danach, erst danach … Aber dann würde es für sie kein »Danach« mehr geben.
Er blieb in seinem Arbeitszimmer, bis sein Gast eintraf.
Dieser machte den allerbesten Eindruck. Er war großartig. Er war so großartig, dass die Frau des Staatsanwalts bei Maks Erscheinen gleich zwanzig Jahre jünger wurde. Sie war eine
Dame der Gesellschaft (im scheußlichsten Sinne des Wortes). Sie war kalt, und ihr Mann nahm sie schon seit ewigen Zeiten nicht mehr als weibliches Wesen wahr, sondern als alten Kampfgefährten. Aber kaum hatte sie Mak gesehen, wirkte sie nicht nur zwanzig Jahre jünger, sondern verhielt sich auch vollkommen natürlich, ja, hätte sich nicht natürlicher verhalten können, hätte sie gewusst, welche Rolle dieser Gast in ihrem Schicksal spielen sollte …
»Aber warum sind Sie allein?«, fragte sie verwundert. »Mein Mann hatte von einem Abendessen für vier gesprochen …«
»In der Tat«, bestätigte der Staatsanwalt. »Ich hatte Sie so verstanden, dass Sie mit Ihrem Mädchen kämen. Ich erinnere mich an sie. Ihretwegen wäre sie fast ins Unglück geraten.«
»Sie ist ins Unglück geraten«, sagte Mak ruhig. »Aber darüber reden wir später, wenn Sie erlauben. Wohin soll ich mich setzen?«
Sie speisten lange, tranken ein wenig, waren heiter und lachten viel. Der Staatsanwalt erzählte den neuesten Klatsch. Seine Frau kolportierte gut gelaunt ein paar schlüpfrige Witze, und Mak beschrieb in humorigem Ton seinen Flug mit dem Bomber. Während der Staatsanwalt über diese Schilderung lachte, dachte er entsetzt, was wohl jetzt mit ihm wäre, wenn auch nur eine Rakete ihr Ziel getroffen hätte.
Als sie mit dem Essen fertig waren, entschuldigte sich die Frau des Staatsanwalts und schlug den Männern vor zu beweisen, dass sie in der Lage seien, zumindest eine Stunde ohne die Gesellschaft einer Dame auszukommen. Der Staatsanwalt nahm die Herausforderung an, fasste Mak am Arm und führte ihn in sein Arbeitszimmer, um mit ihm einen Wein zu trinken, wie ihn nur etwa dreißig Leute im Land kosten durften.
Sie machten es sich in einer gemütlichen Ecke bequem, saßen in weichen Sesseln an einem niedrigen Tisch, nippten
an dem Wein und sahen einander an. Mak war sehr ernst. Dieser kluge Bursche ahnte offensichtlich, worüber sie reden würden. Und so entschloss sich der Staatsanwalt plötzlich, auf seinen ursprünglichen Gesprächsplan zu verzichten, der spitzfindig war und zermürbend, sich auf halbe Anspielungen stützte sowie auf allmähliche gegenseitige Offenbarungen. Radas Schicksal, die Intrige des Wanderers, die Ränke der Unbekannten Väter - alles das war jetzt ohne Bedeutung. Mit erstaunlicher, ja, fast verzweifelter Klarheit begriff er, dass all seine Meisterschaft in derartigen Gesprächen bei diesem Menschen überflüssig war. Mak würde entweder einverstanden sein, oder er würde ablehnen. Das war sehr einfach, wie auch die Tatsache, dass der Staatsanwalt entweder weiterleben oder in ein paar Tagen zermalmt sein würde.
Ihm zitterten die Finger, schnell stellte er sein Glas auf den Tisch und begann ohne Umschweife: »Ich weiß, Mak, dass Sie im Untergrund kämpfen, Mitglied des Stabes und ein aktiver Gegner der herrschenden Ordnung sind. Außerdem sind Sie ein geflohener Sträfling und der Mörder einer Panzerbesatzung der Spezialabteilung … Nun zu mir. Ich bin der Generalstaatsanwalt, eine Vertrauensperson der Regierung, in die höchsten Staatsgeheimnisse eingeweiht - und ebenfalls ein Feind der bestehenden Ordnung. Ich biete Ihnen den Sturz der Unbekannten Väter an. Wenn ich sage ›Ihnen‹, dann meine ich Sie und nur Sie: Ihre Organisation betrifft das nicht. Ich bitte Sie zu
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