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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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und ihm Dinge verziehen, die ich sonst niemandem auf der Welt verzeihe. Aber ich weiß immer noch nicht, was ich ihm bedeute.
    Ein Anruf vom Schiff. Vanderhoeze teilt mit, dass Rem Sheltuchin auf seiner Müllhalde ein Gewehr gefunden hat.
Eine ziemlich belanglose Information. Vanderhoeze mag es einfach nicht, wenn ich schweige, und macht sich Sorgen, wenn er lange nichts von mir hört. Wir reden eine Weile über Belangloses.
    Währenddessen verschwindet Wepl im nächsten Hauseingang. Man hört Rumoren, Fiepen, Knirschen, Kauen. Dann taucht Wepl in der Tür auf, kaut noch ein paarmal kräftig und spuckt Rattenschwänze aus.
    Jedes Mal, wenn ich auf Empfang bin und mit anderen spreche, führt sich Wepl auf wie ein Hund: Entweder er frisst, kratzt sich, oder er sucht nach Flöhen. Er weiß genau, dass ich das nicht leiden kann - und macht es doch so auffällig, als wolle er sich dafür rächen, dass ich mich mit etwas anderem beschäftige als mit ihm. Jetzt entschuldigt er sich bei mir und sagt, es schmecke so gut, und er habe sich nicht beherrschen können. Ich bleibe eine Weile reserviert.
    Es fällt leichter Nieselregen; vor uns verschwindet die Straße im grauen Nebel. Wir passieren das siebzehnte Viertel (die Querstraße ist mit Steinen gepflastert), gehen vorbei an einem durchgerosteten Lkw mit platten Reifen und einem gut erhaltenen, mit Granit verkleideten Gebäude, dessen Fenstergitter im Erdgeschoss mit Figuren verziert sind. Links von uns beginnt ein Park, der von der Straße durch eine niedrige Steinmauer abgetrennt ist.
    Als wir gerade an einem schiefen Torbogen vorbeigehen, springt aus dem feuchten, dichten Gebüsch ein großer, kunterbunt angezogener und sehr skurriler Mensch hervor; mit einem Satz, geräuschvoll und mit Schellenklang, landet er auf der Mauer.
    Er ist dürr wie ein Gerippe, hat ein gelbes Gesicht mit eingefallenen Wangen und einen gläsernen Blick. Feuchte, rötliche Haarsträhnen stehen nach allen Seiten ab. Die Arme sind wie bei einem Hampelmann in ständiger Bewegung; sie wirken, als seien sie aus Gummi oder mit zu vielen Gelenken
versehen. Die Füße sind riesig. Die knochigen Beine zappeln unentwegt und tanzen auf der Stelle, so dass welkes Laub und durchnässte Mörtelbrocken nach allen Seiten fliegen.
    Der Mann steckt von Kopf bis Fuß in einer Art buntkariertem Trikot: rot, gelb, blau und grün. Unablässig klingeln die Schellen, die überall auf Ärmeln und Hosenbeinen aufgenäht sind. In einem komplizierten Rhythmus schnippt er schnell und laut mit den knotigen Fingern. Ein Hanswurst. Ein Clown. Seine Faxen könnten durchaus komisch sein, wenn sie nicht so unheimlich wirkten in dieser toten Stadt, diesem grauen Nieselregen, vor einem verwilderten Park, der schon längst zu Wald geworden ist. Das ist ein Verrückter. Noch ein Verrückter.
    Im ersten Moment scheint mir, es sei derselbe Mann wie der, den wir am Stadtrand trafen. Aber der trug bunte Bänder und eine Narrenkappe mit einem Glöckchen; er war auch erheblich kleiner und nicht so abgemagert. Sie sind bloß beide bunt gescheckt und beide verrückt. Wirklich merkwürdig, fast unglaublich, dass die ersten beiden Eingeborenen, die wir auf diesem Planeten treffen, verrückte Clowns sind.
    »Das ist nicht gefährlich«, sagt Wepl.
    »Wir müssen ihm helfen«, antworte ich.
    »Wie du willst. Er wird uns hinderlich sein.«
    Ich weiß selbst, dass er uns hinderlich sein wird, aber ich kann es nicht ändern. Ich nähere mich langsam dem tänzelnden Hanswurst, während ich im Handschuh das Saugutensil mit dem Beruhigungsmittel vorbereite.
    »Gefahr von hinten!«, sagt Wepl plötzlich.
    Ich drehe mich blitzschnell um, entdecke auf der anderen Straßenseite aber nichts Besonderes: ein einstöckiges Haus mit Resten eines giftig lila Anstrichs, davor falsche Säulen, ohne eine einzige heile Glasscheibe, dafür aber eine übergroße Türöffnung voller Finsternis. Ein Haus wie jedes andere, scheint mir. Wepl jedoch betrachtet es in der Pose allerhöchster
Aufmerksamkeit: Er hat sich auf die Pfoten gesetzt, den Kopf tief geneigt und die kleinen dreieckigen Ohren gespitzt. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter: Seit wir losmarschiert sind, hat Wepl diese Haltung kein einziges Mal eingenommen. Hinter uns klingeln verzweifelt die Glöckchen, doch plötzlich wird es still. Nur der Regen ist noch zu hören.
    »In welchem Fenster?«, frage ich.
    »Weiß ich nicht.« Wepl wendet den schweren Kopf langsam von rechts nach links. »In keinem

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