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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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dem der Ausdruck von Verwirrung oder Befremden nur als schwacher Schatten durchschimmerte, während ihre Hände unter dem Tisch erbarmungslos am Taschentuch zerrten und rissen.
    Ich sah Maja Glumowa deutlich vor mir, konnte mir aber einfach nicht vorstellen, was sie da gesehen und gehört hatte. Es hing mit diesen Zeichnungen zusammen. Wären sie nicht gewesen, hätte ich mir auf dieser übel zugerichteten Liege ohne Mühe einen gewöhnlichen Offizier des Imperiums vorstellen können: frisch aus der Kaserne, wie er seinen verdienten Urlaub genießt. Aber die Zeichnungen waren da, und dahinter verbarg sich irgendetwas sehr Wichtiges, sehr Kompliziertes und sehr Düsteres.
    Hier aber blieb mir nichts mehr zu tun. Ich streckte die Hand nach dem Videofon aus und wählte die Nummer Seiner Exzellenz.

2. JUNI’78
    Eine unerwartete Reaktion Seiner Exzellenz
    Er hörte mir bis zum Ende und ohne mich ein einziges Mal zu unterbrechen zu. Das war ein schlechtes Zeichen. Ich versuchte, mich mit dem Gedanken zu trösten, dass seine Unzufriedenheit vielleicht nicht mit mir zusammenhing, sondern mit anderen, mir unbekannten Umständen. Als er mich aber bis zu Ende angehört hatte, sagte er finster: »Bei der Glumowa hast du fast nichts erreicht.«
    »Ich war an die Legende gebunden«, antwortete ich trocken.
    Er widersprach nicht. »Was gedenkst du als Nächstes zu tun?«, fragte er.
    »Ich glaube, hierher wird er nicht wieder zurückkommen.« »Das glaube ich auch. Und zu Maja Glumowa?« »Schwer zu sagen. Das heißt, eigentlich kann ich gar nichts sagen; ich verstehe es nicht. Aber die Möglichkeit besteht natürlich.«
    »Wie ist deine Meinung: Wozu hat er sich überhaupt mit ihr getroffen?«
    »Das ist es eben, was ich nicht verstehe, Exzellenz. Es sieht ganz so aus, als hätten sie sich geliebt und sich ihren Erinnerungen hingegeben. Nur war die Liebe nicht ganz das, was man sonst darunter versteht, und die Erinnerungen waren nicht einfach nur Erinnerungen. Sonst wäre Maja Glumowa nicht in einem solchen Zustand gewesen. Gewiss, wenn er sich wie ein Schwein hat volllaufen lassen, ist er vielleicht ausfallend geworden, hat sie gekränkt oder verletzt. Vor allem, wenn man bedenkt, was für eine seltsame Beziehung die beiden als Kinder hatten.«
    »Übertreib nicht«, knurrte Seine Exzellenz. »Sie sind längst keine Kinder mehr. Stellen wir die Frage so: Wenn er sie wieder
anruft oder zu ihr kommt, wird sie dann mit ihm sprechen, ihn empfangen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Aber wahrscheinlich schon. Er bedeutet ihr immer noch sehr viel. Sie wäre niemals so verzweifelt gewesen wegen eines Menschen, der ihr gleichgültig ist.«
    »Das ist Lyrik«, knurrte Seine Exzellenz und schnauzte mich plötzlich an: »Du hättest herausfinden müssen, warum er sie zu sich bestellt hat! Worüber sie gesprochen haben! Was er zu ihr gesagt hat!«
    Jetzt wurde ich wütend. »Nichts davon konnte ich herausfinden«, sagte ich. »Sie war hysterisch. Und als sie zu sich kam, saß ein Idiot von einem Journalisten vor ihr mit einem zolldicken Fell.«
    Er unterbrach mich. »Du musst dich noch einmal mit ihr treffen.«
    »Nur, wenn ich meine Legende ändern darf!«
    »Was schlägst du vor?«
    »Zum Beispiel: Ich bin von der KomKon. Auf einem bestimmten Planeten ist ein Unglück geschehen. Lew Abalkin war Augenzeuge. Aber das Unglück hat ihn so sehr erschüttert, dass er auf die Erde geflohen ist und jetzt niemanden sehen will. Er ist psychisch angeschlagen, beinahe krank. Wir suchen ihn, um zu erfahren, was sich dort ereignet hat.«
    Seine Exzellenz schwieg, mein Vorschlag gefiel ihm nicht; er sah unzufrieden aus. Ich betrachtete eine Zeit lang die Glatze mit den Sommersprossen, die den Bildschirm fast vollständig ausfüllte, um dann, etwas zurückhaltender, zu erläutern: »Verstehen Sie, Exzellenz, ich kann jetzt nicht mehr so lügen wie am Anfang. Sie war schon darauf gekommen, dass ich nicht zufällig bei ihr auftauchte. Ich konnte sie, wie es scheint, vom Gegenteil überzeugen. Wenn ich aber noch einmal in derselben Rolle auftauche, widerspricht das nun wirklich dem gesunden Menschenverstand! Entweder sie glaubt,
dass ich Journalist bin - dann hätte sie nichts mit mir zu besprechen und würde mich gleich zum Teufel jagen. Oder sie glaubt es nicht, und dann schickt sie mich erst recht zum Teufel. Ich zumindest würde das tun. Als Vertreter der KomKon aber habe ich das Recht, Fragen zu stellen, und ich werde mir natürlich Mühe geben, so

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