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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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nicht aufgrund von Fluktuationen des Neutrinofeldes, was wiederum bedeutete, dass man per Null-Transport nur rein zufällig in »Ossinuschka« landen konnte. Dann allerdings bliebe zu erklären, warum sich der junge Mann so auf Doktor Goannek stürzte, als hätte der ihm sein Leben lang gefehlt?
    Der letzte Punkt kam dem Touristen Kammerer ein wenig seltsam vor, doch Doktor Goannek lieferte die entsprechende Erläuterung augenblicklich nach: Der junge Mann hatte nicht nach Doktor Goannek persönlich gesucht, sondern überhaupt nach einen Arzt, und das so schnell wie möglich. Er klagte über nervöse Erschöpfung, und die hatte er in der Tat, und zwar in einem so hohen Maße, dass ein erfahrener Arzt wie Doktor Goannek sie mit bloßem Auge erkennen konnte. Die nachfolgende, eingehende Untersuchung ergab zum Glück keinerlei pathologischen Befund. Es war großartig, wie heilsam sich die erfreuliche Diagnose auf den jungen Mann auswirkte. Er blühte förmlich auf und empfing, als wäre nichts gewesen, schon nach zwei, drei Stunden wieder Gäste, beziehungsweise handelte es sich dabei weniger um Gäste, als vielmehr um eine junge Dame. Nein, diese war auf ganz gewöhnliche Weise gekommen - mit einem Standard-Gleiter. Und das war auch richtig so: Für einen jungen Mann gibt es prinzipiell keine heilsamere Therapie als eine bezaubernde junge Frau. In seiner jahrelangen praktischen Tätigkeit hatte Doktor Goannek oft genug solche Fälle erlebt. Zum Beispiel … Doktor Goannek führte Beispiel Nummer eins an. Oder sagen wir … Es folgte Beispiel Nummer zwei. Die beste Psychotherapie für junge Frauen sei dementsprechend … Und Doktor
Goannek präsentierte die Beispiele Nummer drei, vier und fünf.
    Sofort beeilte sich auch der Tourist Kammerer, mit einem Beispiel aus eigener Erfahrung aufzuwarten und erzählte, wie er sich als Progressor seinerzeit auch einmal am Rande eines Nervenzusammenbruchs befunden hatte. Doch dieses armselige, untaugliche Beispiel wies Doktor Goannek empört zurück. Bei den Progressoren nämlich lag die Sache ganz anders - viel komplizierter, doch in gewissem Sinne auch wieder einfacher. Jedenfalls hätte sich Doktor Goannek nie erlaubt, ohne Konsultation eines Spezialisten irgendwelche psychotherapeutischen Mittel bei dem jungen Mann anzuwenden, wenn dieser ein Progressor gewesen wäre.
    Aber das war er natürlich nicht und hätte es auch schwerlich werden können: Von seiner nervlichen Konstitution her war der junge Mann dafür kaum geeignet. Nein, das war kein Progressor, sondern ein Schauspieler oder Maler, der gerade einen schwerwiegenden Misserfolg oder eine tiefgreifende Schaffenskrise erlebt hatte. Und es war gewiss nicht das erste und auch nicht das zweite Mal, dass Doktor Goannek in seiner langjährigen Praxis einen solchen Fall erlebte. Da war zum Beispiel … Und Doktor Goannek begann wieder, Fälle auszubreiten, einer schöner als der andere, wobei er die echten Namen selbstverständlich gegen alle möglichen XYs, Betas oder Alphas austauschte.
    Der Tourist Kammerer, vormals Progressor und von Natur aus ein wenig grob, unterbrach diese lehrreichen Darlegungen recht unhöflich, indem er erklärte, um keinen Preis mit einem halbverrückten Künstler im selben Kurort wohnen zu wollen. Das war eine unbedachte Bemerkung, und man verwies den Touristen Kammerer sofort in seine Schranken. Zunächst wurde das Wort »halbverrückt« analysiert, nach Strich und Faden kritisiert und schließlich als medizinisch nicht zutreffend und zudem vulgär vom Tisch gefegt. Erst danach erklärte
Doktor Goannek mit ungewöhnlich giftigem Unterton in der Stimme, dass der erwähnte, »halbverrückte« Künstler offenbar in der Vorahnung, der ehemalige Progressor Kammerer komme nach »Ossinuschka«, weit entfernt davon war, mit diesem denselben Kurort teilen zu wollen. Denn schon am Morgen war er mit dem erstbesten Gleiter abgereist und hatte es dabei so eilig gehabt, dass er sich nicht einmal von Doktor Goannek hatte verabschieden können.
    Der ehemalige Progressor Kammerer blieb völlig unempfindlich gegen das Gift, das der Doktor versprühte, und fasste alles wörtlich auf. Er äußerte seine volle Zufriedenheit, dass der Kurort jetzt frei sei von nervös erschöpften Kunstschaffenden und man sich ungestört und nach eigenem Geschmack einen passenden Platz für den Aufenthalt aussuchen könne.
    »Wo hat denn dieser Neurastheniker gewohnt?«, fragte er geradeheraus und erläuterte: »Nicht, dass ich

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