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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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nach dem anderen schickte ich meine Mitarbeiter ins Institut der Sonderlinge und wartete jedes Mal ab, was sich daraus ergäbe. Aber es ergab sich nichts, und so schickte ich den Nächsten - und wartete wieder.
    Zu dieser Zeit lag Gorbowski in seinem Haus in Krāslava im Sterben.
    Zu dieser Zeit bereitete sich Athos-Sidorow auf einen weiteren Aufenthalt im Krankenhaus vor, und es war nicht sicher, ob er je zurückkehren würde.
    Zu dieser Zeit lud sich Danil Logowenko erstmals nach langer Zeit wieder auf eine Tasse Tee zu mir ein, schwelgte den ganzen Abend in Erinnerungen und erzählte dabei nichts als Belanglosigkeiten.
    Zu dieser Zeit hatte ich noch nichts entschieden.
    Und dann brachen die Ereignisse in Malaja Pescha über uns herein.
    In der Nacht vom 5. auf den 6. Mai holte mich der Katastrophendienst aus dem Bett. In Malaja Pescha, gelegen am Fluss Pescha, der in die Tschescha-Bucht der Barentssee mündet, waren Monstren aufgetaucht und hatten unter den Bewohnern
der Siedlung Panik ausgelöst. Die Einsatztruppe war losgeschickt, die Untersuchung in die Wege geleitet worden.
    Den geltenden Richtlinien entsprechend musste ich nun einen meiner Inspektoren an den Ort des Geschehens schicken. Ich schickte Toivo.
    Leider ist Inspektor Glumows Bericht über die Ereignisse und seine Maßnahmen in Malaja Pescha verlorengegangen - ich habe ihn zumindest nicht mehr finden können. Da ich aber an dieser Stelle so genau wie möglich schildern will, wie Toivo Glumow die Untersuchung führte, muss ich die Ereignisse rekonstruieren und mich dabei auf mein Gedächtnis und auf Gespräche mit Augenzeugen stützen.
    Man sieht gleich, dass die vorliegende Rekonstruktion (wie alle folgenden) neben den gesicherten Fakten auch Schilderungen, Metaphern, Epitheta, Dialoge und ähnliche belletristische Elemente enthält. Mir ist wichtig, dass der Leser Toivo genauso lebendig vor sich sieht, wie er mir in Erinnerung geblieben ist. Und da reichen Dokumente allein nicht aus. Wer möchte, kann meine Rekonstruktionen auch als eine besondere Art der Zeugenaussage betrachten.
     
     
    Malaja Pescha. 6. Mai ’99. Früher Morgen
     
    Aus der Vogelperspektive sah Malaja Pescha genauso aus, wie es in der vierten Morgenstunde auszusehen hatte. Verschlafen. Friedlich. Leer. Ein Dutzend bunter Dächer im Halbkreis, ein von Gras überwucherter Platz, ein paar verstreut umherstehende Gleiter, der gelbe Klubpavillon am Abhang über dem Fluss. Der Fluss wirkte reglos, eiskalt und unwirtlich, weiße Nebelschwaden hingen über dem Schilf am anderen Ufer.
    Auf der Außentreppe des Klubs stand ein Mann. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und beobachtete den Gleiter. Sein Gesicht kam Toivo bekannt vor, was nicht verwunderlich
war, denn er kannte viele aus den Einsatztrupps, wahrscheinlich jeden Zweiten.
    Er landete neben der Treppe und sprang auf das feuchte Gras. Der Morgen hier war kalt. Der Mann trug einen großen, warmen Anorak mit vielen Taschen und Schlaufen für all die Phiolen, Regulatoren, Löschgeräte, Brandsätze und sonstigen Apparate, die zur ordnungsgemäßen Ausübung des Katastrophendienstes benötigt werden.
    »Guten Morgen«, sagte Toivo. »Basil, nicht wahr?«
    »Guten Morgen, Glumow«, antwortete er und gab ihm die Hand. »Richtig, Basil. Warum kommen Sie so spät?«
    Toivo erklärte, dass der Null-T in Malaja Pescha wohl gerade keine Passagiere annehme und er in Nishnaja Pescha herausgekommen sei. Dort habe er einen Gleiter nehmen und noch vierzig Minuten den Fluss entlang nach Malaja Pesha fliegen müssen.
    »Verstehe«, sagte Basil und blickte sich um zum Pavillon. »Das habe ich mir schon gedacht. Wissen Sie, die haben in ihrer Panik die Null-Kabine derart demoliert …«
    »Es ist also bisher niemand zurückgekehrt?«
    »Nein, niemand.«
    »Und weiter ist nichts vorgefallen?«
    »Nein. Unsere Leute haben die Durchsuchung vor anderthalb Stunden abgeschlossen, dabei nichts Wesentliches gefunden und sind dann nach Hause geflogen, um die Analysen zu machen. Mich haben sie gebeten, hier zu bleiben und niemanden auf das Gelände zu lassen. Die ganze Zeit über habe ich versucht, die Null-Kabine zu reparieren.«
    »Haben Sie es geschafft?«
    »Ich glaube, ja.«
    Die Cottages in Malaja Pescha waren recht altmodisch, im vorigen Jahrhundert erbaut, Gebrauchsarchitektur, auf Natur getrimmte Organik; die Farben waren über die Jahre giftig grell geworden. Jedes Cottage stand inmitten eines undurchdringlichen
Gestrüpps aus

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