Gesammelte Werke 1
Hypothesen dazu, Dutzende.
FRAGE: Zum Beispiel?
ANTWORT: Die Propaganda der Fukamisationsgegner zum Beispiel. Auf ein leicht zu beeindruckendes Gemüt, noch dazu in der Schwangerschaft, könnte die Propaganda durchaus Eindruck machen. Oder, zweites Beispiel, die Hypertrophie des Mutterinstinkts - das instinktive Bedürfnis, sein Kind von allen äußeren Einwirkungen abzuschirmen, auch von den nützlichen. Sie möchten widersprechen? Nicht nötig. Ich stimme völlig mit Ihnen überein. All diese Hypothesen erklären - im günstigsten Fall - eine sehr kleine Menge der Fakten. Weder die »Weigerungsketten« noch die geografischen Besonderheiten der Epidemie konnte man bisher erklären. Erst recht unbegreiflich ist die Tatsache, warum sie ausgerechnet im Frühjahr’81 einsetzte, und zwar nicht nur auf der Erde, sondern auch weit entfernt.
FRAGE: Und warum es im Jahre’85 aufhörte - kann man das erklären?
ANTWORT: Stellen Sie sich vor, ja. Die Tatsache, dass die Novelle angenommen wurde, hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Epidemie verebbte. Natürlich blieb auch dabei vieles unklar, aber das sind schon Details.
FRAGE: Was meinen Sie, könnte die Epidemie auch aufgrund unvorsichtiger Experimente ausgebrochen sein?
ANTWORT: Theoretisch ist das möglich. Aber wir haben diese Hypothese seinerzeit überprüft. Auf der Erde werden keinerlei Experimente durchgeführt, die in der Lage wären, Massenphobien hervorzurufen. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass die Fukamiphobie gleichzeitig auch außerhalb der Erde auftrat.
FRAGE: Welche Arten von Experimenten könnten denn Phobien hervorrufen?
ANTWORT: Wahrscheinlich habe ich mich nicht exakt ausgedrückt. Ich kann Ihnen eine ganze Reihe technischer Methoden nennen, mit denen sich bei Ihnen, einem gesunden Menschen, eine Phobie erzeugen ließe. Beachten Sie: irgendeine. Wenn ich Sie beispielsweise in einem bestimmten Rhythmus mit einem Neutrinokonzentrat bestrahle, bekommen Sie eine Phobie. Aber was für eine Phobie wäre das? Platzangst? Höhenangst? Angst vor der Angst? Das kann ich vorher nicht sagen. Um bei einem Menschen jedoch eine bestimmte Phobie wie z. B. die Fukamiphobie auszulösen, die Angst vor der Fukamisation - nein, davon kann keine Rede sein. Höchstens in Verbindung mit Hypnose. Aber wie sollte man so etwas praktisch realisieren? Nein, das ist sicher nicht realistisch.
4. Trotz ihrer geografischen (und kosmografischen) Streuung blieben die Fälle von Fukamiphobie eine in der medizinischen Praxis sehr seltene Erscheinung, und sie allein hätten schwerlich zu Veränderungen in der Gesetzgebung geführt. Die Epidemie der Fukamiphobie verwandelte sich jedoch sehr rasch
von einem medizinischen Problem zu einem Ereignis sozialen Charakters.
August’81: die ersten registrierten Proteste von Vätern, vorerst noch privater Natur (Beschwerden an lokale und regionale medizinische Verwaltungen, vereinzelte Eingaben an die lokalen Räte).
Oktober’81: die erste kollektive Petition von 129 Vätern und zwei Geburtshelfern an die Kommission zum Schutz von Mutter und Kind beim Weltrat.
Dezember’81: Auf dem XVII. Weltkongress der Geburtshelfer-Assoziation spricht sich erstmals eine Gruppe von Ärzten und Psychologen gegen die Fukamisationspflicht aus.
Januar’82: Bildung der Initiativgruppe VEPI (benannt nach den Initialen der Gründer), einer Vereinigung von Ärzten, Psychologen, Soziologen, Philosophen und Juristen. Es war die Gruppe VEPI, die den Kampf um die Annahme der Novelle begonnen und zu Ende geführt hat.
Februar’82: erste Versammlung und Kundgebung der Fukamisationsgegner vor dem Gebäude des Weltrates.
Juni’82: formale Bildung einer Opposition gegen das »Gesetz« innerhalb der Kommission zum Schutz von Mutter und Kind.
Die weitere Chronologie der Ereignisse ist meiner Meinung nach nicht von besonderem Interesse. Die dreieinhalb Jahre, die der Weltrat zur Prüfung und Annahme der Gesetzesnovelle benötigte, sind durchaus typisch. Für untypisch halte ich indes das Verhältnis zwischen der Anzahl der Personen in der Anhängerschaft der Novelle und der Anzahl der Personen, die zum professionellen Stab gehörten. Für gewöhnlich liegt die Massenanhängerschaft eines neuen Gesetzes bei mindestens zehn Millionen Menschen, während zum professionellen Stab, der ihre Interessen in qualifizierter Weise vertritt (Juristen, Soziologen, Spezialisten für das Problem), nur ein paar Dutzend Leute gehören. In unserem Fall
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