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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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steckte die Hände tief in die Taschen seiner Segeltuchhose und wartete. Es war ein alter, verwilderter Wald, dem das Unterholz die Luft zum Atmen nahm. Es war feucht, und von den morschen Baumstämmen her roch es faul und modrig. Maxim schauderte. Ihm war übel. Wie gern säße er jetzt in der Sonne, wärmte sich die Schulter … Nicht weit weg, hinter den Sträuchern, war jemand, aber Maxim beachtete ihn nicht. Er wurde belauert, seit er die Siedlung verlassen hatte. Aber es machte ihm nichts aus; es wäre seltsam gewesen, wenn sie ihm sofort vertraut hätten.
    Ein kleines Mädchen trat auf die Wiese; sie trug eine geflickte, viel zu große Bluse und hielt ein Körbchen in der Hand. Langsam ging sie an Maxim vorüber, starrte ihn neugierig an, und ließ ihn auch dann nicht aus den Augen, als sie immer wieder stolperte und im Gras hängen blieb. Dann war sie verschwunden. Jetzt sprang ein kleines Tier, das aussah wie ein Eichhörnchen, aus dem Gebüsch, sauste an einem Baum empor, äugte herunter, erschrak und verschwand. Ringsum
war wieder Stille, nur in der Ferne tuckerte unregelmäßig eine Maschine - sie schnitt Schilf auf dem See.
    Der Unbekannte steckte noch immer hinter den Sträuchern. Maxim spürte seine feindseligen Blicke im Rücken, was unangenehm war, doch er musste sich daran gewöhnen. Denn es würde so bleiben. Die bewohnte Insel war ihm feindlich gesonnen; sie schoss auf ihn, verfolgte ihn und glaubte ihm nicht. Maxim nickte ein. In letzter Zeit passierte das oft, in den unpassendsten Augenblicken. Er schlummerte, erwachte und schlief wieder ein. Er kämpfte gar nicht erst dagegen an, denn sein Körper nahm sich so die Ruhe, die er brauchte. Es würde vorbeigehen, er durfte sich nur nicht wehren.
    Das Laub raschelte. Der Begleitposten war zurück und forderte Maxim auf, ihm zu folgen. Maxim stand auf, die Hände noch immer in den Hosentaschen, und ging dem Mann nach. Er blickte auf dessen Füße, die in weichen, feuchten Stiefeln steckten. Sie gelangten tiefer in den Wald. In Kreisen und komplizierten Schlaufen näherten sie sich allmählich einem Unterschlupf, zu dem es auf geradem Weg nur ein Katzensprung gewesen wäre. Jetzt glaubte der Posten offenbar, Maxim genug verwirrt zu haben, und durchquerte geradewegs einen Windbruch. Offensichtlich war er ein Städter, denn er veranstaltete dabei solchen Lärm, dass Maxim nicht einmal mehr den Verfolger hören konnte.
    Am Ende des Windbruchs sah man hinter Bäumen eine kleine Wiese; darauf stand ein schiefes Blockhaus mit vernagelten Fenstern. Das Gras stand hoch, wie unberührt, aber Maxim bemerkte, dass hier Menschen gegangen waren, früher schon, aber auch noch vor kurzem. Bemüht, Spuren zu vermeiden, hatten sie den Weg zum Haus jedes Mal etwas anders genommen. Maxims Führer öffnete eine quietschende Tür, dann traten sie in eine dunkle, muffige Diele. Der Mann, der ihnen gefolgt war, blieb draußen. »Kommen Sie, vorsichtig
…«, raunte der Begleiter, als er die Falltür zum Keller hob; in der Dunkelheit sah er schlecht. Maxim kletterte die hölzerne Stiege hinab.
    Im Keller war es warm und trocken. An einem Holztisch saßen ein paar Leute, die ihre Augen komisch aufrissen, um Maxim besser sehen zu können. Es roch nach ausgeblasener Kerze. Anscheinend wollten die Leute nicht, dass Maxim ihre Gesichter sah. Zwei von ihnen kannte Maxim bereits: Ordi, die Tochter der alten Illi Tader, und den dicken Memo Gramenu. Letzterer kauerte, ein Maschinengewehr auf den Knien, direkt neben der Stiege. Über ihm schloss sich nun polternd die Luke. Dann sagte jemand: »Wer sind Sie? Erzählen Sie von sich.«
    »Darf ich mich setzen?«, fragte Maxim.
    »Ja, natürlich. Folgen Sie meiner Stimme, dann stoßen Sie auf eine Bank.«
    Maxim setzte sich an den Tisch und warf einen Blick auf seine Nachbarn. Es waren vier. Im Dunkeln wirkten sie grau und flach, wie auf einem alten Foto. Rechts neben Maxim saß Ordi; der Sprecher, ein stämmiger, breitschultriger Mann, saß ihm gegenüber. Er ähnelte unangenehm Rittmeister Tschatschu.
    »Erzählen Sie«, wiederholte er.
    Maxim seufzte. Es war ihm zuwider, gleich mit einer Lüge zu beginnen, aber es musste sein.
    »Über meine Vergangenheit weiß ich nichts«, sagte er. »Man hat mir gesagt, ich sei ein Gebirgler. Vielleicht stimmt es. Ich erinnere mich nicht … Ich heiße Maxim, mit Familiennamen Kammerer. Bei der Garde nannte man mich Mak Sim. Mein Gedächtnis reicht bis zu dem Moment, da man mich im Wald an der

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