Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
Vom Netzwerk:
Spangen um Maxims Handgelenke, kauerte nieder und fesselte ihm die Füße. Maxim schmunzelte insgeheim. Er wusste jetzt, was er tun würde. Aber den Rittmeister hatte er unterschätzt. Tschatschu ließ Rada nicht los. Sie musste mit ihnen die Treppe hinuntergehen, mit in den Lastwagen steigen, und nicht eine Sekunde wandte er die Pistole von ihr. Danach stieß man Gai hinein, der ebenfalls verhaftet worden war. Bis zum Morgengrauen blieb noch viel Zeit. Nach wie vor nieselte es, und regenverhangene Lichter erhellten dürftig die nasse Straße. Lärmend verteilten sich die Gardisten auf die Bänke im Lastwagen, riesige, tropfnasse Hunde zerrten an den Leinen und sperrten, da man sie zurückhielt, nervös und leise winselnd ihre Rachen auf. Und im Treppenhaus stand, den Rücken an den Pfeiler gelehnt und die Hände auf dem Bauch gefaltet, der Hausmeister. Er döste.

12
    Der Generalstaatsanwalt lehnte sich im Sessel zurück, steckte sich ein paar getrocknete Beeren in den Mund, zerkaute sie und trank einen Schluck Heilwasser nach. Er schloss die müden Augen, drückte die Finger darauf und lauschte. Im Umkreis von mehreren Hundert Metern war alles ruhig. Der Justizpalast war leer, nächtlicher Regen trommelte monoton an die Fenster. Weder heulten Sirenen noch quietschten Bremsen, niemand klopfte, und auch die Fahrstühle summten nicht. Kein Mensch weit und breit. Nur im Vorzimmer, hinter der hohen Tür, schmachtete in Erwartung von Befehlen und still wie eine Maus der diensthabende Referent. Der Staatsanwalt öffnete langsam die Augen. Durch verschwimmende bunte Flecken fiel sein Blick auf den Besuchersessel, eine Spezialanfertigung. Den nehme ich mit, überlegte er. Den Tisch auch, habe mich dran gewöhnt. Ich gehe ungern von hier weg, hab das Plätzchen so schön angewärmt. Aber warum soll ich eigentlich? Der Mensch ist seltsam: Sieht er eine Treppe vor sich, will er unbedingt auf ihre höchste Stufe. Da oben ist es kalt, scharfe Winde wehen, die der Gesundheit ganz und gar nicht zuträglich sind, der Sturz hinunter kann tödlich enden, die Stufen sind glatt und voller Gefahren. Du weißt das alles sehr gut und steigst trotzdem hoch, arbeitest dich immer höher, bis dir die Zunge zum Halse heraushängt. Die Umstände mögen dagegen sprechen, aber du kletterst. Man mag dir abraten - du kletterst. Du kletterst gegen den Widerstand deiner Feinde, wider den eigenen Instinkt, den gesunden Menschenverstand, gegen ungute Vorahnungen, du steigst, steigst, steigst. Wer nicht steigt, fällt, so ist das. Doch wer steigt, fällt auch.
    Das Surren des Haustelefons unterbrach seine Gedanken. Er nahm den Hörer ab und kniff verärgert die Brauen zusammen: »Was ist? Ich bin beschäftigt.«

    »Jemand, der sich ›Wanderer‹ nennt, ist auf Ihrer persönlichen Leitung, Exzellenz. Er möchte Sie dringend sprechen«, säuselte der Referent.
    »Der Wanderer?« Der Staatsanwalt lebte auf. »Verbinden Sie mich.«
    Im Hörer knackte es. Wieder das Säuseln des Referenten: »Exzellenz hören.«
    Noch ein Knacken, und dann der bekannte, harte, pandeanische Akzent: »Schlaukopf? Grüße dich. Bist du sehr beschäftigt?«
    »Für dich nicht.«
    »Ich muss dich sprechen.«
    »Wann?«
    »Gleich, wenn es dir recht ist.«
    »Ich stehe zu deiner Verfügung«, sagte der Staatsanwalt. »Komm her.«
    »Ich bin in zehn, fünfzehn Minuten bei dir. Warte auf mich.«
    Der Staatsanwalt legte den Hörer auf und saß einige Zeit reglos und mit eingekniffener Unterlippe da. Ist er also zurück, dachte er, und wieder wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Massaraksch, wie viel Geld mich dieser Mensch schon gekostet hat! Mehr als alle anderen zusammen, dabei weiß ich über ihn immer noch genauso wenig wie alle Übrigen. Ein gefährlicher Typ. Unberechenbar. Hat mir die Stimmung verdorben. Erbost überflog der Staatsanwalt die Papiere, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte, schob sie nachlässig zu einem Haufen zusammen und legte sie ins Fach. Wie lange hat er sich eigentlich nicht blicken lassen? Zwei Monate. Wie immer. Verschwindet irgendwohin, lässt zwei Monate nichts von sich hören und dann, bitte schön, wie der Geist aus der Flasche. Nein, mit diesem Geist muss etwas passieren, so kann man nicht arbeiten. Na gut, aber was will er von mir? Was ist in diesen zwei Monaten überhaupt passiert?
Den »Fuchs« haben sie abgesägt, aber das wird ihn kaum interessieren, den Fuchs konnte er sowieso nicht leiden, hat ihn verachtet. Aber eigentlich verachtet er ja

Weitere Kostenlose Bücher