Gesammelte Werke 1
konstruieren?«
»Möglich«, sagte der Wanderer.
»Hör mal, wofür, zum Teufel, noch so etwas? Haben wir nicht genug Unannehmlichkeiten? Du solltest die Sache ein bisschen bremsen.«
Der Wanderer grinste. »Hast du Angst, Schlaukopf?«
»Ja«, gab der Staatsanwalt zu. »Du nicht? Oder glaubst du, der Onkel wird dich immer lieben? Mit deinem eigenen Strahler wird er dich …«
Der Wanderer grinste wieder. »Du hast mich überzeugt. Abgemacht.« Er stand auf. »Ich geh jetzt zum Papa. Soll ich ihm was ausrichten?«
»Der Papa ist schlecht auf mich zu sprechen«, antwortete der Staatsanwalt, »ist mir verflucht unangenehm.«
»Gut.« Der Wanderer wandte sich zur Tür. »Ich werde es ihm ausrichten.«
»Spaß beiseite, aber wenn du ein Wörtchen für mich einlegen könntest …«
»Bist eben ein Schlaukopf«, sagte der Wanderer im Tonfall des Papas. »Ich werd’s versuchen.«
»Ist er wenigstens mit dem Prozess zufrieden?«
»Woher soll ich das wissen? Bin doch gerade erst angekommen.«
»Versuch es herauszubringen. Und wegen deines … wie sagtest du? Ich notiere mir den Namen.«
»Mak Sim.«
»Was also ihn betrifft, leite ich morgen das Nötige ein.«
»Bleib gesund.« Der Wanderer ging.
Der Staatsanwalt blickte ihm finster nach. Eine Position hat der Mann! Ist zu beneiden! Die gesamte Abwehr liegt allein bei ihm. Ja, die Reue kommt spät, aber vielleicht hätte man sich mit ihm anfreunden sollen. Nur, wie macht man das bei so einem? Er braucht ja niemanden, ist ohnehin der Wichtigste, und wir anderen sind seine Vasallen. Alle beten ihn an. Wenn man dem an die Gurgel könnte - das wär’s! Und dann kommt er wegen so einer Lappalie, einen Sträfling braucht er, bitte schön. Der ist was wert, man bedenke, seine Mentogramme sind interessant. Allerdings ist dieser Gefangene ein Gebirgler, und der Papa spricht in letzter Zeit ziemlich oft über die Berge. Womöglich lohnt es, sich damit zu befassen. Was auch immer mit dem Krieg wird - Papa bleibt Papa. Massaraksch, arbeiten kann ich heute sowieso nicht mehr.
Er nahm den Hörer und rief ins Telefon: »Koh, was für Material haben Sie über den Verurteilten Sim?« Er entsann sich auf einmal. »Sie hatten doch Verschiedenes über ihn zusammengetragen.«
»Jawohl, Exzellenz«, säuselte der Referent. »Ich hatte die Ehre, die Aufmerksamkeit Eurer Exzellenz …«
»Bringen Sie’s her. Und noch etwas Wasser.«
Er legte den Hörer auf, und im selben Moment erschien, kaum wahrnehmbar, wie ein Schatten, der Referent in der Tür. Plötzlich lag eine dicke Mappe vor dem Staatsanwalt; leises Klirren, Wasser gluckste, und auf dem Tisch stand ein volles Glas. Der Staatsanwalt nahm einen Schluck und betrachtete die Mappe.
»Exzerpt aus dem Vorgang Mak Sim (Maxim Kammerer). Verfasser: Referent Koh.«
Recht umfangreich, und dann »Exzerpt«. Der Staatsanwalt öffnete die Mappe und entnahm ihr den ersten Stoß zusammengehefteter Blätter.
Aussagen des Rittmeisters Toot. Aussagen des Angeklagten Gaal. Skizze eines Grenzbezirks hinter der Blauen Schlange. »Andere Kleider trug er nicht. Seine Sprache klang menschlich, doch völlig unverständlich. Der Versuch, mit ihm auf Honti zu reden, brachte kein Ergebnis.« Diese Rittmeister der Grenztruppen! Ein hontianischer Spion an der Südgrenze! »Die Zeichnungen, die der Verhaftete uns vorlegte, schienen mir erstaunlich und kunstvoll.« Nun, hinter der Blauen Schlange gibt es viel Erstaunliches. Leider. Selbst die Begleitumstände, unter denen dieser Sim aufgetaucht ist, heben sich nicht allzu sehr von den übrigen Verhältnissen dort ab. Obwohl freilich … Aber wir werden sehen.
Der Staatsanwalt legte den Packen beiseite, schob sich zwei besonders große Beeren in den Mund und griff nach dem nächsten Blatt. »Gutachten einer Expertenkommission aus Mitarbeitern des Instituts für Textilien und Kleidung. Wir, die
Endunterzeichner …«, hm, aha, »… analysierten mit allen uns zur Verfügung stehenden Labormethoden das Kleidungsstück, welches uns vom Departement für Justiz zugeschickt worden war …«, so ein Blödsinn, »und kamen zu folgendem Ergebnis: 1. Der genannte Gegenstand stellt eine kurze Hose der Größe 4/2 dar, die sowohl von Männern als auch von Frauen getragen werden kann. 2. Der Schnitt der Hose ist keinem der bei uns üblichen Standards zuzuordnen und kann, genau genommen, auch nicht als Schnitt bezeichnet werden, weil die Hose nicht genäht, sondern auf eine Art hergestellt wurde, die uns
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