Gesammelte Werke 1
Hände mit ein wenig Heizöl und überlegte, was weiter zu tun sei.
Die einzige Anlaufstelle in der Nähe war das Haus des Försters, aber sich dahin durchzuschlagen machte keinen Sinn. Es gab noch die Möglichkeit, in der Entensiedlung zu übernachten, aber nein, das war gefährlich, diese Adresse kannte Rittmeister Tschatschu. Außerdem schreckte Maxim der Gedanke, jetzt vor die alte Illi zu treten und ihr vom Tod der Tochter zu berichten. Er konnte nirgendwohin. Er ging in eine kleine, heruntergekommene Arbeiterkneipe, die nachts geöffnet hatte, aß Würstchen und trank Bier. Alle hier waren schmutzig und erschöpft wie er - Arbeiter nach der Schicht, die ihre letzte Straßenbahn verpasst hatten. An die Wand gelehnt, döste Maxim ein und träumte von Rada. Und er dachte im Traum, Gai sei jetzt sicher bei der Großfahndung, was gut war. Denn Rada, die ihn liebte, würde ihn aufnehmen, er könnte sich waschen und umziehen: Sein Zivilanzug müsste noch dort sein, der, den Fank ihm gegeben hatte. Am Morgen könnte er dann in den Osten fahren, wo die zweite ihm bekannte Anlaufstelle lag. Er wachte auf, warf eine zerknüllte Banknote auf den Tisch und ging hinaus.
Es war nicht weit, und unterwegs drohte keine Gefahr. Er traf niemanden auf der Straße, nur unmittelbar vor dem Haus sah er den Hausmeister. Er saß auf seinem Schemel im Treppenaufgang und schlief. Maxim schlich vorbei, stieg die Treppe hinauf und klingelte, so wie er immer geklingelt
hatte. Hinter der Tür war es still, dann knarrte etwas. Schritte kamen näher, und die Tür wurde geöffnet. Rada.
Sie schrie nur deshalb nicht, weil ihr Atem stockte und sie die Hand vor den Mund presste. Maxim umarmte sie, drückte sie an sich und küsste sie auf die Stirn. Er hatte das Gefühl, als sei er nach Hause zurückgekehrt, wo man lange schon aufgegeben hatte, auf ihn zu warten. Er schloss die Tür hinter sich, und sie gingen leise ins Zimmer. Hier war alles unverändert, nur seine Liege fehlte. Rada brach in Tränen aus. Auf dem Bett saß Gai im Nachthemd und starrte Maxim aus erschrockenen, nahezu irr staunenden Augen an. Einige Minuten verstrichen: Maxim und Gai sahen einander an, und Rada weinte.
»Massaraksch!«, fiepte Gai schließlich hilflos. »Du lebst? Bist nicht tot?«
»Grüß dich, altes Haus«, sagte Maxim. »Schade, dass du hier bist. Ich wollte dich nicht reinreißen. Wenn du willst, gehe ich gleich wieder.«
Im selben Moment umklammerte Rada fest seinen Arm.
»Nein!« Ihre Stimme klang gepresst. »Auf keinen Fall. Du gehst nirgendwohin. Soll er’s nur versuchen, dann gehe ich auch, ohne mich umzusehen.«
Gai warf die Bettdecke von sich, stellte die Füße auf den Boden und trat dicht an Maxim heran. Er berührte ihn an den Schultern, an den Händen; er beschmierte sich mit Heizöl und wischte sich über die Stirn, die nun auch schmutzig war.
»Ich begreife überhaupt nichts«, sagte er kläglich. »Du lebst. Woher kommst du? Rada, hör auf zu heulen. Bist du verwundet? Du siehst schlimm aus. Da ist Blut.«
»Das ist nicht von mir.«
»Ich begreife überhaupt nichts«, wiederholte Gai. »Mensch, du lebst! Rada, mach Wasser heiß! Weck den Alten, er soll Schnaps rausrücken.«
»Leise«, bat Maxim. »Macht nicht solchen Lärm, ich werde gesucht.«
»Von wem? Weshalb? So ein Blödsinn. Rada, lass ihn sich umziehen! Mak, setz dich endlich! Oder willst du dich lieber hinlegen? Wie ist das gekommen? Wieso lebst du?«
Maxim setzte sich vorsichtig auf den Rand des Stuhls und legte die Hände auf die Knie, um nichts zu beschmutzen. Während er die beiden ansah, sie zum letzten Mal als Freunde ansah, sagte er, vielleicht sogar mit einer gewissen Neugier auf das, was nun geschehen würde: »Ich bin doch jetzt ein Verbrecher, ein Staatsfeind. Eben habe ich einen Turm gesprengt.«
Er wunderte sich nicht, dass sie ihn gleich verstanden hatten und augenblicklich wussten, von welchem Turm die Rede war. Sie stellten keine Fragen. Rada presste nur die Hände zusammen, ohne den Blick von ihm zu wenden, und Gai räusperte sich, fuhr sich mit einer vertrauten Geste durch die Haare und murmelte verdrossen, den Blick abgewandt: »Dummkopf! Willst dich also rächen. Aber an wem? Ach, du bist und bleibst ein Irrer. Ein kleines Kind. Schön. Du hast nichts gesagt, und wir haben nichts gehört. In Ordnung. Ich will nichts wissen. Rada, geh und mach Wasser heiß. Und sei nicht so laut, weck die Leute nicht auf«, und zu Maxim gewandt: »Zieh dich aus!, bist
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