Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
Vom Netzwerk:
Material ist aber nur ein Teil.)
    Das übrige läßt sich in einer neuen Auffassung so sehen: das Leben ist eine dauernde Oszillation zwischen Verlangen und Überdruß. Hat man eine Weile etwas getan, so will man sein Gegenteil. (So muß es auch heißen: Gefühle verlangen Dogmatisierung und vertragen keine.) Das gilt von den Trieben, aber auch von den höheren Beschäftigungen. Die Frage ist nun einfach: Gibt es etwas, das man dauernd tun kann? gibt es ein bleibendes Verhalten? Anscheinend kann nur der «andere Zustand» der Periodik von Aufbau und Zerstören Einhalt tun ... (Bemerkenswerterweise ist Aufbau und Zerstören dasselbe, was Agathe Ulrich vorwirft.)
    –– Die «merkwürdige Erscheinung des Nichtfrischbleibens des Gefühls» wird durch den Hinweis zu erklären versucht, daß alle Vorstellungen verdorren, deren Erlebnis nicht reaktualisiert wird (zum Beispiel Worte). Die Folgerung wäre: Gott als Empirismus. Außerdem wird beschuldigt die Umwandlung des Ahnens, das man erlebt, in einen Glauben, den man nicht erlebt. Daraus schlösse: alle Streitigkeiten kommen vom Glauben. (Ähnlich ist die Konsequenz der vorhin erwähnten Periodik: man dürfe Sehnsucht und Befriedigung nicht voll übernehmen. Sondern à la Möglichkeitssinn. Aber dann, sagt Agathe, besteht doch die Gefahr, daß das Leben nur eine Tändelei, ein Snobismus, ohne Leidenschaft ist. Ulrich: Ja, diese Gefahr besteht.)
    Forderung einer Systematik des Zusammenlebens, einer Psychotechnik der Kollektive als Minimalforderung. Das Zeitalter des Individualismus geht zu Ende als Gegensatz zum Individualismus Ulrichs und Agathes.
    «Studie zum Museumskapitel»: Letzter Einfall: mit General. General fährt fort, Ulrich zu bereden. Ulrichs Hauptantwort darauf. Etwa:
    General: Dieses Zeitalter verlangt nach Tat, weil die Ideologie oder das Verhältnis der Ideologie zu den anderen Mächten versagt.
    Ulrich: Die Auffassung des Lebens als Partiallösung. (Was ihn bewegt, sind Utopien.) Gegen das Verlangen des Zeitalters nach Tat. Gegen Überschätzung der Tat und so weiter. Es fehlt heute nicht an Tatmenschen, sondern an Menschentaten. Mann ohne Eigenschaften gegen Tat: Mann, dem keine der vorhandenen Lösungen genügt.
    Agathe dagegen modifiziert das übrige: man will Entscheidung, Ja und Nein! (Denke dabei an Tat gegen Intellekt im Nationalsozialismus. An Wunsch der heutigen Jugend, Entscheidung zu finden und so weiter. Entscheidung: ein Synonym für Tat. Ebenso: Überzeugung. Hans Sepp und sein Kreis erhalten von hier Bedeutung.)
    Ulrich: (Die Antwort ist bisher) Weltsekretariat der Genauigkeit und Seele. Keiner glaubt es mir! Gegen Glauben: Methodenlehre dessen, was man nicht weiß. Ahnen. (Vielleicht so: Ulrich wiederholt diese Antwort von Zeit zu Zeit, und keiner glaubt sie ihm oder nimmt es auch nur ernst.) Alle menschlichen Kontroversen spielen sich auf dem Gebiet des Glaubens ab. Er ist die gefährliche Mittelform. Moral steht zwischen Ethos und Wissen; ist eine Glaubensform. Darum Abwendung von der Moral. Weil die Menschheit sich nicht auf Ahnen und Wissen verlegt, sondern die meisten Aufgaben in der Form des Glaubens löst, entstehen Streitigkeiten und Krieg.
    Agathe dagegen: Glücklich sind nur Menschen, die überzeugt sind.
    (Volle Überzeugung ist auch identisch mit Glück –––– Von dieser Seite ist auch «anderer Zustand» plausibler zu nehmen als durch Theorie. Theorie des «anderen Zustand» vermeiden. Agathe und Ulrich suchen eine Überzeugung. Die Zeit sucht eine. Hinblick auf: im Bolschewismus kommt eine, aber nicht die im letzten Grunde, so daß auch er aufhören wird, Glück zu geben, und nicht definitiv ist.)
    General stimmt ihr zu.
    Ulrich: Von Wissen zu oberstem Gesetz. Versuch einer natürlichen Moral des induktiven Zusammenarbeitens. Idee des induktiven Zeitalters. Induktion braucht Vor-Annahmen; aber diese dürfen nicht «geglaubt» werden ––––––––
    (Die Auffassung des Lebens als Partiallösung und dergleichen als unzeitgemäß. Stammt aus der Vorkriegszeit, wo das Ganze relativ fest auch für den erschien, der nicht daran glaubte. Heute ist die ganze Existenz in Unordnung geschleudert; Erörterungen, Beiträge, Abhandlungen und Abwandlungen frommen nicht –– Das Lehrmoment des Buchs ist zu verstärken, eine praktische Formel aufzustellen –––––)
    Aus «Studienblatt Soziale Fragestellung» (Fortsetzung) — 26. VIII.: Nach den einleitenden Worten des Kapitels über Schmeißer auf die Aufgabe

Weitere Kostenlose Bücher